Der große, helle Mond steht zwischen den Alleebäumen der alten Landstraße. Eine Kutsche
in wilder Fahrt, die Nüstern der Pferde schäumen schon und ihr Atem ist in der kalten
Luft zu sehen, wie leichter Rauch aus einem heißen Schornstein. In ihr sitzt eine
dunkle Gestalt, von außen kaum zu sehen. Voll Sorge blickend in die Nacht hinaus,
nicht wissend was in erwarten wird, dort an seinem Ziel.
Von weit her, rief man ihn
um aufzuklären was keiner Vermocht. Wir schreiben das Jahr 1816, ein Jahr nachdem
Napoleon Bonaparte bei Waterloo von Wellington und Blücher besiegt wurde und auf
die Insel S. Helena verbannt worden ist. Der Große Krieg ist zu Ende und die Menschen
finden endlich wieder ihren Frieden und kehren zur Normalität zurück. Wir befinden
uns auf dem Wege in die Umgebung von Varino, zu einem kleinen See hin. Diese kleine
Stadt ist schon lange bekannt für seine heißen Quellen.
Doch Monsignore Galvani kommt
nicht, um sich zu erholen, sondern er ist entsendet worden, vom Papst höchst persönlich
um die grausamsten Morde seit Beginn dieses Jahrhunderts aufzuklären. Im Großen Krieg
gab es viel Leid, Mord und Totschlag. Doch das hier ist etwas anderes, etwas grausiges,
es macht den Menschen Angst und wenn sie Angst haben, dann sind sie zu allem fähig.
Normalerweise untersucht er für die Heilige Römische Kirche, Wunder und andere Kuriositäten
bevor diese sie dann offiziell anerkennt oder verteufelt. Er ist ein gottesfürchtiger
Mann aber auch ein Realist und manchen ist seine Art gar unheimlich.
Mein Magen knurrte
bereits wie wild und mein Pferd brauchte Hafer und Ruhe. Dringend mussten die mir
anvertrauten Depeschen aber nach Milano gebracht werden. Deswegen wollte ich die
Nacht auch durch Reiten. Aber mein Pferd brauchte ebenfalls Ruhe und auch der Hunger,
trieben mich in den nächsten Gasthof, der sich finden ließ. Die Auswahl fiel mir
nicht schwer, da der nächste einen halben Tagesritt entfernt war. Die Straßen waren
nachts sowieso sehr gefährlich und es war besser man verbrachte die Nacht im Schutze
eines Gasthofes. Dort gab es frischen Hafer für mein Pferd und ein Schlückchen guten
Wein für meine trockene Kehle.
Nachdem ich mein Pferd im Stall untergebracht habe,
wo es für ein paar Münzen gut versorgt wird. Öffnete ich die Tür zur Stube und eine
warme, rauchige Luft umhüllte mich, gleich bemüht die Tür zu schließen, um die Kälte
des Abends auszuschließen. Müde und geschunden vom vielen Reiten, wollte ich mich
zu einem Platz begeben. Da schaute ich in einige üble Gesichter, was waren das für
Spießgesellen, ich hatte ja schon einiges erlebt aber die sahen gefährlich aus. Nach
dem großen Krieg trieben sich eine Menge, solcher Ex-
stand
ein wunderschönes junges Mädchen, so voller Anmut und Schönheit mit dunklen schwarzen
Haaren und wunderschönem Gesicht. Das sah ich sofort trotz des Miefs und dem Rauch.
Ich setzte mich gleich am nächsten Tisch, nicht weit von ihr nieder und sagte: Was
tut ein junges hübsches Mädchen zu solch später Stunde, in so einem solchen Gasthof.
Die Antwort, die ich bekam, überraschte mich ein wenig. Aus ihrem entzückenden Mund
kam nur, dass mich das einen feuchten Dreck anginge und sie entschwand in einer Nebenkammer.
Offensichtlich gehörte sie hier her, obwohl sie in keinster Weise dem Wirt auch nur
ähnlich sah. Erst als sie mit mir sprach, bemerkte ich die dunklen braunen Augen,
in denen Feuer zu brennen schien! Als dieser glückliche Moment zu Ende war, kam der
Hunger, der mich eigentlich hier hergeführt hatte, sich bemerkbar zu machen. Eine
halbe Sau, hätte ich hinunterschlingen können, aber ich begnügte mich mit dem Schleimigen
etwas, was mir der Wirt in den Holzteller schlug. Nach langem Weg und noch in dunkler
Nacht erreichte die Kutsche mit seinem seltsamen Passagier eine Taverne auf dem Wege
nach Milano. Diese ist nicht wesentlich besser, als die vielen anderen auf der beschwerlichen
Reise, in denen sie schon so viele male Schutz vor der Dunkelheit gesucht hatten.
Gerade war mir wieder warm geworden und nahm einen guten Schluck eines Süßen Rot
Weines zu mir, als plötzlich die Türe aufging und aus dunkler Nacht heraus ein seltsamer
Mann den Gasthof betrat. Kühle Luft umhüllte mich und der Wind ließ die Kerzen flattern,
sodass sie große unheimliche Schatten warfen. Stille erfüllte den Raum und gespannt
sahen alle zu dem Fremden, der mit einem Mantel bekleidet war, der sein Gesicht zu
verstecken schien. Als er diesen abstreifte, sah man, dass es sich um einen Geistlichen
handeln musste. Um den Hals trug er eine Kette mit einem Kreuz, in dessen Mitte sich
ein auffälliger Stein befand.
Unter den anwesenden brach Gemurmel aus und einige schienen
sich sehr für den Fremden zu interessieren. Er setzte sich unweit von mir an einen
Tisch und unterhielt sich mit dem Wirt, der nickte und nach oben zeigte.Nachdem der
Wirt in das Nebenzimmer etwas gerufen hatte, kam das Mädchen und führte ihn nach
oben. Dabei kamen sie an meinem Tisch vorbei, sie ging ganz langsam an mir vorüber
und schaute mich mit ihren braunen Augen an. In meiner Magengegend fing es an ganz
warmzuwerden und in meiner Brust klopfte mein Herz immer schneller. Nach mehreren
Bechern Wein ging ich ebenfalls in mein Zimmer, das mir der Wirt zugewiesen hatte.
Bald darauf lag ich auf dem Bett und starrte an die Decke, was für Augen, was für
ein Mund und dieses Haar. Schon bald schlief ich tief und fest und träumte von ihr,
aber nicht lange.
In Angriffsformation ritten meine Kameraden und ich auf das Schlachtfeld,
wir wollten dem Feind in die Flanke fallen. Um mich herum krachte und tobte es, große
Pulverschwaden von Kanonen und Infanterie zogen über das Schlachtfeld, der Geruch
von Salpeter und Schwefel lag in der Luft. Die Sicht wurde immer weniger, plötzlich,
eben noch neben den anderen, bin ich ganz allein und reite immer weiter. Schemenhaft
sind Infanteristen mit aufgepflanzten Bajonett in einigen Metern zu sehen und es
ist völlig still. Wie in Zeitlupe reite ich durch die Rauchschwaden, plötzlich, direkt
vor mir, taucht eine feindliche Schützenlinie auf. Sie haben ihre Büchsen angelegt
zum Schuss, ich versuche mein Pferd herumzureißen, aber es gelingt mir nicht! Es
reitet immer weiter, kann es nicht aufhalten, Blitze aus den Gewehrmündungen, Rauch
umhüllt mich, ich wache in meinem Bett auf. Schweißgebadet begebe ich mich zu der
kleinen Waschschüssel und reinige mich.
Es war wohl schon kurz vor Morgengrauen, als
ich vom Gang her einig Geräusche hörte, die auf einen eiligen Aufbruch einiger Gäste
schließen ließ. Nur mit meiner Jacke bekleidet wollte ich nach meinem Pferd im Stall
sehen, da mir bei diesem Gesindel nicht ganz wohl war.
Aber es stand friedlich an
seinem Platz und kaute auf ein paar Gräser rum. Daraufhin ging ich wieder zurück
in mein Zimmer als ich auf dem Flur Ihr begegnete. Da stand ich nun, nur mit meinem
Unterkleid bekleidet und würde diese Geschichte ein anderer erzählen, würde er behaupten,
ich wäre Rot geworden. Leicht erschrocken blieb sie stehen und starte mich an, plötzlich
fing sie an zu kichern, dann stand sie da und schaute mir in die Augen. Es schien
als würde sie immer näher kommen, wich ich zurück? Nein, das kann nicht sein, dann
berührte sie meine Wange und Ihre zarten Hände berührten meine Brust. In Ihren Augen
funkelte es, mein Mund suchte Ihren Mund, da lachte sie und sprang davon. Da stand
ich nun, musste ich doch bald weiter ziehen, um diese nichtige Depesche zu überbringen.
Wie gerne wäre ich noch länger geblieben. Aber ich schwor mir, als bald wiederzukommen.
Der Tag erwachte zu leben und mit ihm brach ich auf. Auf dem Weg, vom Hof zu den
Stallungen, rauschte eine Kutsche in wilder Fahrt vorüber. Schnell gesattelt und
meine Tribut entrichtet, war ich bald auf dem Weg nach Milano. Durch dunkle Wälder
und über grüne Wiesen führte mich mein Weg.
Schon bald verfiel ich in den Trott des Reitens, mein treues Pferd lief von allein
den alten ausgefahrenen Waldweg entlang. Das Auftreten der Hufe auf dem weichen Laub,
war kaum zu vernehmen, meine Gedanken waren weit weg und doch auch nicht. Würde ich
sie wohl bald wieder sehen?
Ich ritt wohl schon eine Weile, als ich plötzlich, durch
die Unruhe meines Pferdes unsanft aus meinen Träumen gerissen wurde. Merkwürdige
Geräusche drangen an mein Ohr. Mein Ritt wurde immer schneller. Nun hörte ich es
ebenfalls, den Lärm eines Kampfes. Wer es einmal gehört hatte, der würde es nie mehr
vergessen. Das Gebrüll der Angreifer und die Schmerzensschreie der Getroffenen. Während
des Reitens lud ich meine zwei Pistolen fertig. Da der Weg eine leichte Biegung machte,
konnte ich durch die Bäume hindurch in einiger Entfernung eine Kutsche sehen. Im
Galopp kam ich immer näher, die Kutsche kam mir irgendwie bekannt vor und man konnte
sich ausmalen was dort im Gange war.
Die Antwort folgte schneller als mir lieb war!
Eine dunkle Gestalt trat hinter der Kutsche hervor, ein Knall und die daraufhin folgende
Pulver Wolke zeigten mir schnell, wer Freund und Feind waren. Beide Pistolen in vorhalte,
ritt ich wie der Teufel auf den Mann zu, zielte und feuerte beide Pistolen ab, dabei
schrie ich Befehle als würde ich ein ganzes Reiterschwadron kommandieren.
Wieder erwartend
traf eine Kugel nur einen Ast der zu Boden fiel, doch der zweite Schuss traf, na
gut nur den Boden. Mein Pferd galoppierte direkt auf den Mann zu, der sich nur durch
einen Sprung zu Seite retten konnte. Was für eine Attacke, wie in alten Zeiten, doch
leider setzte ein tief hängender Ast, dieser ein jähes Ende. Ein kurzer Schlag, ein
langer Flug und ich landete auf den Boden. Leider direkt in der Nähe eines zweiten
Räubers. Dieser schickte sich sofort an mit einem überlangen Dolch auf mich loszugehen.
Noch im Aufspringen zog ich, blitzschnell meinen Säbel und parierte den Angriff.
Da bemerkte ich erst wie weh mir mein Gesäß tat. Der Mann, der mir gegenüber stand,
erkannte ich sofort wieder, es war einer der Spießgesellen aus dem Gasthof, nur das
er diesmal auf der Stirn den Abdruck eines Kreuzes zu haben schien.
Ein kurzer Hieb, von oben herab geführt, zerschnitt seine Hutkrempe und ein Teil
seines Mantels. Daraufhin zog er es wohl vor, das Weite zu suchen. Erst jetzt sah
ich, dass der Kutscher leblos am Boden lag und über dem Weg, im Gebüsch sich zwei
Gestalten wälzten. In einem langen Satz hinüber und kurzer Hand dem Vermummten, mit
dem Säbel in sein Hinterteil gestochen. Den Schreck ausnutzend bekam der Mönch die
Oberhand und schlug mit seinem Kreuz zu. Mir schien als würde er das öfters machen?
Ein
Schuss kam von hinten und verfehlte mich nur um Haaresbreite. Ich schleuderte herum
und warf meinen Säbel auf den Angreifer. Dieser brach getroffen zusammen und rührte
sich nicht mehr. Erst später fiel mir auf das meine Jacke durchschossen war. Einige
Sekunden war es still, sehr still. Kein Vogel war zu hören nur mein Atem der aus
meinen Lungen kam. Erst jetzt fing mein Herz an wie wild zu pochen, als wäre es in
meinem Halse. Doch dann hörte ich eine beruhigende Stimme, die zu mir sprach.
Sie
haben mir das Leben gerettet, wie kann ich ihnen nur dafür danken? Am liebsten hätte
ich gesagt mit diesem Kreuz um ihren Hals, aber vermutlich hätte er es mir dann auch
auf meinen Kopf gehauen. Und so sagte ich selbstlos „Die Ehre dafür ist mir genug“
In seinem Gesicht sah man keine Regung aber seine Augen schienen innerlich zu lachen,
es sah so aus als hätte er geahnt, was ich dachte. Mein Name ist Monsignore Galvani
und ich bin auf dem Weg nach Milano.
Mein Name ist, ein plötzliches Knacken von Ästen hinter mir, ließ mich herumfahren
aber es war nur mein treues Pferd, das sich da näherte. Es schaute ganz unschuldig
mit seinen großen Augen, als wenn nichts gewesen wäre. Ich nahm die Zügel an mich
und wollte weiter sprechen, aber da kümmerte er sich bereits um den Kutscher. Dieser
war sehr schwer verwundet worden. Die Räuber schossen ihn einfach von der Kutsche
und damit sie anhält, gleich eines der zwei Zugpferde mit dazu. Das arme Tier hing
tot im Geschirr der Kutsche. Der Mann sah übel aus, ich glaubte nicht dass er es
schaffen könnte. Bis zur nächsten Stadt war es weit, zurück zum Gasthof ging es auch
nicht schneller. Ich bot Monsignore Galvani an ihn bis nach Melano zu begleiten.
Einer der Räuber, der noch bewusstlos am Boden lag, suchte während unserem Gespräch
plötzlich im dichten Wald das Weite. Eine Verfolgung erschien mir sinnlos, da er
immer noch bewaffnet war und mich überall hätte auflauern können. Außerdem waren
für den heutigen Tag schon genug gestorben und wir nahmen nicht an, dass er sich
noch mal mit uns anlegen würde. Wir spannten mein Pferd vor die Kutsche und betteten
den Verwundeten vorsichtig in sie. Er fuhr hinten mit und ich war auf dem Kutschbock.
Und so bewegte sich die Kutsche mit seinen merkwürdigen Passagieren immer weiter
auf das Ziel zu, hätten sie nur geahnt was sie dort erwartet, sie wären auf der Stelle
umgedreht. Nach langer Fahrt, schon in dunkler Nacht erreichten sie die dreckige
Stadt. Nebelschwaden und ein modriger Geruch lagen über ihr. Nur wenige Laternen
erhellten die kalten, dunklen Gassen und so bahnte sich die Kusche über alte Pflastersteine
hinweg sich ihren Weg. Bis zu einem großen Haus, das hell erleuchtet war.
Der Weg
schien dem Alten beschrieben worden zu sein, denn er führte mich direkt dorthin.
Es war die Stadtkommandantur, ich zog es vor den Herrschaften lieber nicht zu begegnen
und verschwand mit der Ausrede, ich müsse diese Depesche dringend abliefern. Was
ich auch tat, aber es hätte auch zu einem späteren Zeitpunkt ausgereicht. Wir verabredeten
uns für später an der Kutsche. Als ich um die Ecke gebogen war, schaute ich noch
einmal zurück und sah wie er an der Tür klopfte. Weises Licht ließ die Treppe zu
dem Gebäude erleuchten und Männer stürzten heraus, um den Verwundeten in Warme zu
tragen. Durch die Dunkelheit ging ich hindurch, dabei machte ich vor allzu üblen
Ecken einen großen Bogen. Bis ich zu der Straße mit dem mir beschriebenen Haus kam
und an der großen Türe klopfte. Dunkle rauchige Stimme fragte, wer da sei und was
er wolle. Hastig nahm er die Depesche in Empfang und lohnte meine Dienste mit einem
Beutel voller Münzen. Die große schwere Türe schloss sich und ich ging meiner Wege,
die mich in die Taverne nahe der Kommandantur führte. Der Becher Wein wärmte meine
ausgekühlten Glieder und warme Schauer schossen durch meinen Körper, bald darauf
verließ ich diesen warmen Ort um mich, wie verabredet an der Kutsche mit ihm zu treffen.
Auf dem Weg dorthin passierte ich eine besonders dunkle Gasse die leicht bergab führte,
ein tappendes Geräusch ließ mich aufmerksam werden. Seit ich die Taverne verlassen
hatte, so schien es, folgte es mir.
Ein ungutes Gefühl überkam mich und mein Körper
spürte Gefahr, als wollte er mich vor irgendetwas warnen. Meine Schritte wurden schneller
und unter dem Mantel lud ich hastig eine meiner Pistolen nach, aber irgendwas, in
mir sagte mir, dass dies nichts nützen würde.
Ich überlegte mir, mich in eine dunkle
Ecke zu stellen, um den Verfolger aufzulauern. Aber eine innere Stimme warnte mich
davor. Endlich erreichte ich die Kutsche, unruhig ging ich auf und ab, den Pistolengriff
fest umklammert. Die Türe öffnete sich und herauskam er, nun wollte ich mein Pferd
ausspannen und meiner Wege gehen aber da sagte er, dass er für einen guten Lohn,
meine Hilfe benötigen würde. Er müsse nur sofort und in der Nacht noch weiter reisen
nach Varino da es keine Zeit zu verlieren gäbe. Was würde meine Aufgabe sein, fragte
ich? Nun als mein Begleiter und den Rest würde ich schon sehen, als er mir eine Summe
nannte, war alles für mich geklärt. Wir besorgten uns noch zwei frische Pferde, einen
neuen Kutscher und machten uns auf den Weg, mein Pferd ließ ich angebunden an der
Kutsche hinterherlaufen. Der Weg führte uns weg von der Stadt, durch die dunkle kalte
Nacht hinaus und nur durch zwei Laternen an der Seite der Kutsche leicht erhellt.
Eigentlich wollte ich eine Mütze voll Schlaf nehmen, aber die Pferde schienen sich
irgendwie nicht wohl zu fühlen, den ihre Unruhe war bis nach hinten zu spüren. Irgendwann
übermannte mich dann doch die Müdigkeit und ich schlief ein. Als ich aufwachte, war
es immer noch Nacht, doch die Kutsche bewegte sich nicht mehr. Ein Schnarchen verriet
mir, das ich wohl der einzige war, der das Anhalten der Kutsche bemerkte. Kalte Luft
kam mir entgegen wie ich die Türe nach draußen öffnete. Als ich um die Kutsche ging,
bemerkte ich, dass der Kutscher weg war. Die Laternen Lichter flatterten leicht und
die Pferde waren unruhig, Links von mir war der tiefe dunkle Wald, durch dessen Bäume
der Wind rauschte. Doch da was war das, ein Knacken von Ästen, Paolo rief ich, Paolo
so hieß der Kutscher, „Paolo“ etwas lauter, ich zog meinen Säbel. Da war dieses knacken
wieder, doch der Wald war so finster das man nichts erkennen konnte. Doch in diesem
Augenblick spürte ich einen schweren Atem ganz nah hinter mir und eine kalte Hand
legte sich auf meine Schulter. Mein Säbel fuhr herum, doch da stand Paolo vor mir.
Aus meinem Mund lösten sich Flüche die zu beschreiben, sich hier nicht schicken würden.
Auf meine Frage weshalb wir hielten, machte er nur ein Zeichen das ich sogar im Dunkeln
erkannte. Es handelte sich um ein menschliches Bedürfnis. Der Morgen graute schon
bald und die Kutsche bewegte sich ihrem Ziel zu.
Das kleine Dorf lag an einem schönen See und die ersten Sonnenstrahlen ließen langsam
das Leben erwachen. Wir fuhren den schmalen, schmutzigen kleinen Weg entlang, auf
die ersten Häuser zu. Ein alter Mann stand vor seiner Hütte und hackte Holz, aber
als er uns sah, sprang er in die Hütte und die Türe flog krachend zu. Gegenüber sah
eine Frau aus dem Fenster, bis sie uns bemerkte und die Fensterläden schloss als
wären wir aussätzige. Fremde schienen hier wohl nicht sehr willkommen. Denn überall
im ganzen Dorf, dasselbe Bild, sobald man uns sah, wurden rasch alle Türen und Fenster
geschlossen. Mit Ausnahme eines großen Herrenhauses an dem uns schon einige ältere
Herrschaften empfingen. Zwei der Männer trugen alte Stutzen, in der Mitte stand ein
älterer Mann mit einem sehr schön gearbeiteten Rock. Er war vermutlich der Herr dieses
Hauses und hatte hier das sagen. Ein Herr Grimaldi empfing uns, mager, dürr und bleich
im Gesicht trat er auf Monsignore Galvani zu und sagte, gut, dass sie da sind, der
Teufel hat Varino heimgesucht, wir sind alle verflucht! Niemand ist verflucht, das
ist doch alles nur Geschwätz. Mischte sich der Gutsherr ein und stellte sich als
Graf Pascalino vor. Ein Wildes durcheinander schreien begann, in dem man noch kaum
etwas verstand. Bis sich Monsignore Galvani umdrehte und sich zur Kutsche zurückbegab,
als wolle er wieder abreisen. Es wurde still und Herr Pascalino fragte, warum er
sich weg begab? Da man ja schon alles wüsste bräuchte ihn ja niemand mehr, antwortete
er. Es wurde still, sehr still.
Der Graf bitte uns ihm zu folgen und wir betraten
das große Herrenhaus. Es musste einer mächtigen Familie gehören, denn an den Wänden
hingen riesige Ölgemälde, mit den Familienmitgliedern und vermutlich dessen Vorfahren
zeigten. Gleich an der großen Treppe, die den Empfangsraum zierte, hängte das des
Grafen. Man erkannte es sofort, aber es war nicht sehr gut getroffen. Er sah älter
darauf aus. Unsere Mäntel wurden von einem Bediensteten abgenommen und gefolgt von
den anderen führte man uns in die Bibliothek. Er begrüßte uns noch einmal und bat
uns doch Platz zu nehmen. Dann wurde erstmal Tee und Gebäck gereicht. Krampfhaft
versuchte ich einen anständigen Eindruck zu hinterlassen und spreizte beim Trinken
aus der Teetasse den kleinen Finger ab. Herr Grimaldi wurde schon ganz unruhig, aber
der Graf schlürfte genüsslich an seiner Tasse Tee herum, da fing er endlich an zu
reden. Er erklärte uns was geschehen war. Es stellte sich heraus, dass der magere
bleiche, der zuständige Gandarme für diese Gegend war. Während der Gutsherr in seinem
riesigen hölzernen Stuhl saß, begann der Gandarm mit zitternder Stimme und voller
Furcht in den Augen zu erzählen. Aufmerksam hörten wir diesem zu und verstanden.
Ein
solch ein Verbrechen hatte es in ganz Italien noch nicht gegeben. Innerhalb weniger
Wochen seien 23 Männer, Frauen und Kinder rund um den See erwürgt aufgefunden worden.
Die älteren Menschen sprachen von einem Ungeheuer das sich jeden holen wolle der
den See nur zu nahe komme! Andere davon, dass Satan herauf gekommen wäre, um sich
die Menschen zu holen. Begonnen hatte alles mit zwei Fischern, die schon früh hinausgefahren
waren, um zu arbeiten. Am Abend entdeckte man ihr Boot im Schilf. Die Gesichter Blau
angelaufen und ihre Körper entstellt.
Einige Krähen mussten erst verscheucht werden,
bis man die Körper der Toten bergen konnte. Es folgten noch viele, Kinder die am
See spielten, Frauen die ihre Wäsche waschen wollten und starke Männer, mit Waffen
die den Täter zu suchen begannen. Nein so etwas konnte kein Mensch tun, nur ein Tier.
Als wir wieder aus dem Haus kamen, war mir gar nicht mehr so wohl zu mute. Am liebsten
wäre ich sofort wieder abgereist schließlich hatte ich wenig Lust, als blau angelaufene
Leiche zu enden. Aber die Leute taten mir leid hatten sie doch ihre Liebsten verloren,
schon für den Gedankengang, die Flucht zu ergreifen, schämte ich mich. Monsignore
Galvani wollte unbedingt die Leichen der Toten sehen aber bis auf zwei hätte man
erst wieder die Gräber öffnen müssen und tun wollte das niemand. So beschloss er
sich mit den zweien zu begnügen. Ein alter Mann wurde gerufen und führte uns, um
das Haus zu einem Eingang in das Kellergewölbe des Hauses.
Man öffnete uns die Türe
und beißender süßlicher Gestank nahm uns den Atem. Der Alte ging mit einer Laterne
vor uns her und nur widerwillig folgten wir ihm. Wir stiegen eine Treppe hinab zu
einem niedrigen Gang, der am Ende in einen dunklen Raum endete, der nur durch Fackeln
erhält war. In der Mitte dieses Gewölbes standen zwei große Tische, auf denen zwei
mit weißen Leintüchern bedeckte Leichen lagen. Das sah man an den unten herausragenden
Füßen. Die Toten waren aber merkwürdig rund? Monsignore Galvani ließ sich von dem
Alten, mit der Laterne leuchten und hob die dreckigen Tücher an. Es trieb mir fast
den Mageninhalt nach oben als ich die von der Sonne aufgedunsenen Toten sah. Aber
das Schlimmste waren ihre gequälten Gesichter, diese waren dunkel Blau angelaufen
und ihre Augen starrten ängstlich, ja mahnend in die Ferne. Ein unheimliches Gefühl
überkam mich, als würde jemand meinen Hals zudrücken und mein Gesicht begann zu glühen.
Im Krieg sah ich viele Tote und Verwundete, aber die hier hatten keine Wunden. Es
deutete nichts darauf hin, das dies von Menschenhand geschehen ist! Monsignore band
sich ein Tuch vor den Mund, um den Gestank etwas zu mildern. Etwas stieß an meinen
Fuß das mich zusammen zucken ließ, aber es war nur eine fette Ratte, die meinen Stiefel
anknabbern wollte. Der Alte bekreuzigte sich darauf hin und in seinen Augen war Furcht,
große Furcht zu erkennen. Monsignore nahm einen alten langen Nagel, der am Boden
herumlag und versuchte bei einem der Toten den Kiefer damit zu öffnen. Das wurde
mir ein wenig zu viel und ich fand nur wenig Worte, die mich nach draußen führten.
Kühle frische Luft umhüllte mich, noch nie war ich so froh wieder im Freien zu sein.
Nach
langer Zeit kamen die beiden endlich wieder heraus, durch die frische Luft bekamen
ihre Gesichter wieder etwas Farbe, aber dem Alten schien es die Sprache verschlagen
zu haben. Er ging schnellen Schrittes wieder ins Haus zurück, nachdem er tief durchgeatmet
hatte. Ich starrte ihn an, seine Augen glänzten. Es sind keine Würgemerkmale zu sehen,
sagte er. War es wirklich der Teufel, fragte ich! Ein leichtes Lächeln huschte über
sein Gesicht, das ich bisher noch nicht kannte. Vielleicht werden wir bald Hilfe
brauchen, die Menschen hier scheinen mir zu verunsichert dazu. Falls es ein Mensch
ist, müssen wir ihn finden, bevor er noch mehr tötet. Wir werden uns heute noch diesen
See anschauen. Doch zuerst bezogen wir Quartier in der Nähe des Herrenhauses, es
war ein Nebengebäude von einem größeren Gehöft. Von dort aus führte direkt ein kleiner
Weg runter zum See und die Pferde konnten ebenfalls dort untergebracht werden. Der
Graf wollte eigentlich, dass Monsignore in einem seiner Gästezimmer übernachtete,
doch das lehnte er freundlichst ab. So zogen der kleine Paolo und ich in eine Stube
gleich neben den Pferdestall und Monsignore im ersten Stock des Hauses in eine hübsche
Kammer ein. Gerade wollte ich mein Pferd versorgen, da kam er bereits herunter und
wollte sich den See anschauen. Nur ungern überließ ich die Arbeit dem kleinen Paolo,
da mir mein Pferd sehr am Herzen lag. Wir waren Weggefährten schon seit dem ersten
Tage, an dem ich in den Krieg gezogen bin. Zusammen hatten wir vieles durchgemacht
und waren ein Herz und eine Seele. Wir sind beide alte Soldaten und aus irgendeinem
Grund rochen wir es, wenn Gefahr drohte. Einmal, wir lagen gerade mit unserer Schwadron
in einem kleinen Wäldchen und ruhten uns aus. Ich kaute gerade an einem Stück trockenen
Brot herum. Als mein Pferd plötzlich sehr unruhig wurde und es immer wieder an seinem
Zügel zog. Damals verstand ich noch nicht was es eigentlich wollte, kurz zuvor hatte
es sogar Hafer und Wasser gegeben. Und alle waren froh sich auszuruhen sogar die
Pferde. Manche der Männer ließen sich dort vom Pferd gleiten, wo sie gerade waren
und schliefen sofort ein. Fast böse, forderte ich es zur Ruhe auf und zog ebenfalls
am Zügel um zu zeigen, dass es nicht weiter geht. Doch es ließ nicht locker, der
Zügel glitt mir durch die Hand und es lief einige Meter von mir weg. Dort blieb es
stehen und scharrte am Boden. Mir wurde klar, dass es wollte, das ich ihm folge.
Es war sowieso Zeit Bereitstellung zu beziehen und so scheuchte ich meine Männer
hoch, die nur widerwillig wieder in die Sättel zu bewegen waren. Kurz nachdem wir
das kleine Wäldchen verlassen hatten, schlugen dort Karteschen Geschosse von einer
Batterie ein, die unbemerkt auf einem nahen Hügel in Stellung gegangen war. Das Wäldchen
wurde mit sengenden kleinen Splittern zersiebten und wären wir nur eine Minute länger
geblieben wäre alle tot gewesen. Woher das Pferd das wissen konnte war mir ein Rätsel.
Weder sah man aus dem Wald, den Hügel noch waren Geräusche von dort zu uns gedrungen.
Im Laufe des Krieges bekam ich immer mehr einen Spürsinn dafür wo es Ärger gab.
Als
wir gerade aufbrechen wollten, kamen tatsächlich einige Dorfbewohner zu uns her,
die uns bis dahin eher gemieden hatten und erzählten wirre Geschichten. Sie hatten
gehört, dass wir vom Papst geschickt worden sind, um das Unheil zu untersuchen. Alte
Menschen, die alte Geschichten wieder aufwärmten und so mancher beschuldigte dabei
seinen Nachbarn einiger Sünden. Es war die Rede von einem Monster, das aus dem See
kam, um die Menschen zu töten. Ein anderer sprach von Geistern die Rache suchten.
Alles in allem nichts Handfestes woraus man sich einen Reim bilden hätte können.
Wir hatten alle Hände voll zu tun um die Leute zu beruhigen und versprachen ihnen,
dass wir die Sache aufklärten. Es dauerte eine Weile bis wir sie abgehängt hatten
und begaben uns zum See hinunter. Friedlich und beschaulich lag der See vor den beiden
Männern, die an diesem Tage, um den See herum, sich umschauten. Nichts deutete darauf
hin, dass dieser ein dunkles Geheimnis verbarg. Sie durchstreiften das Schilf auf
kleinen Trampelpfaden und gingen auf das Ende des Sees zu, wo der Wald bis zum Wasser
ragte.
Zur selben Zeit traf im Dorf eilig eine Kutsche mit zwei weißen Pferden ein.
Die Tiere schnauften sehr stark und scharrten unruhig mit ihren Hufen auf dem Boden.
Ein junges hübsches Mädchen in Begleitung zweier Männer stieg aus, in ihrer Hand
eine Rolle mit versiegelten Papieren, es war die Tochter des Grafen. Dieser erwartete
sie bereits ungeduldig an der Straße vor dem großen Herrenhaus, eilig gingen sie
in hinein.
Das Schilf knirschte unter den Stiefeln, als wir einem Pfad folgten, der
entlang des Sees verlief.
Immer wieder hingen große Schilfbüschel im Weg, wodurch
die Sicht stark behindert wurde. Aber die frischen Spuren im Dreck verrieten uns,
dass dieser oft benutzt wurde, von wem auch immer. Bis jetzt dachten wir, die Menschen
würden den See meiden? Das Schilf endete und es folgte ein dichter Wald, in dem Gestrüpp
wucherte und umher liegende Bäume den Weg versperrten. Zuerst wollte Monsignore nicht
weitergehen, denn es sah so aus als endete der Pfad, der uns hier hergeführt hatte.
Bäume versperrten uns den Weg, durch die es kein Weiterkommen gab. Aber dann stutzte
er und hob einen kleineren Busch beiseite, der den Durchgang unter einem umgestürzten
Baumstamm hindurchfreigab. Er ließ mir den Vortritt und ich schlüpfte hindurch, dabei
blieb ich an einem Ast, mit meinem Rock hängen. Leise fluchte ich vor mich hin, er
kam nach und schüttelte nur den Kopf. Der Wald gab sein inneres frei, mit Moos bewachsene
große Felsbrocken, gar schaurig anzusehen. Riesige alte Bäume, von denen viele wild
durcheinander lagen. Die Spuren verloren sich im weichen Waldboden, gerne hätte ich
einige Hunde bei mir gehabt, denn im Wald gab es viele Geister. Sie hätten uns gewarnt,
wenn Gefahr drohte. Wir streiften ein wenig umher, aber all zu tief wollte ich mich
nicht hineinbegeben. Wir hielten uns zur rechten Hand, leise hörte man den See plätschern,
er musste ganz in der Nähe sein. Sehen konnte man ihn aber nicht, aber dafür sah
ich im Augenwinkel etwas anderes, eine huschende Bewegung, dass ich mir es nicht
eingebildet hatte, sah man daran, dass einige Zweige sich bewegten. Aus Gewohnheit
griff ich zu einer meiner Pistolen, die ich immer geladen mit mir führte, aber Monsignore
Galvani legte seine Hand auf meine, während er angestrengt in die Richtung starrte,
wo die Bewegung zu sehen war. Man konnte aber nichts erkennen, denn der Wald war
zu dicht. Dass wir nicht alleine waren, wussten wir jetzt oder war es doch nur ein
Tier? Oder gar etwas anderes?
Es war still, kein laut war zu hören außer dem Knirschen
der morschen Bäume, deren Wipfel sich leicht im Wind hin und her bewegten. Wir gingen
in die Richtung wo sich vorher noch die Zweige bewegt hatten, tiefer in den Wald
hinein. An haushohen Moos bewachsen Felsen vorüber, auf denen schon große alte Bäume
wuchsen. Seit geraumer Zeit hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden. Ich verwünschte
den Mon Seniore das er mich hier herein geschleppt hatte, in diesen Wald voller Hexen
und Kobolden, so erzählte man es sich jedenfalls. Wir gingen schon eine Weile, ich
wusste eigentlich nicht wohin, aber er ging voraus als, ob er das Ziel kannte. War
da nicht etwas? Ich spürte die Nähe eines Menschen oder eines Tieres es war ganz
nah! Da ein brechender Zweig verriet es, es musste sich ganz in der Nähe befinden!
Dort hinter dem Baum! Ich sah deutlich eine kleine Gestalt, also doch ein „Kobold“
dachte ich. Da hörte ich die beruhigende Stimme des Mon Seniore, ganz ruhig es tut
uns nichts. Aus seiner Tasche holte er ein großes Stück Brot hervor und brach ein
Stück davon ab. Dieses warf er neben dem Baum wo sich die kleine Gestalt dahinter
verbarg. Eine kleine schmutzige Hand griff danach und hervorkam ein kleines Mädchen
in Lumpen gehüllt. Er reichte ihr den Rest des Brotes und nur zögerlich kam sie näher
und nahm es an sich. Das Stück, das bereits abgebrochen war, steckte es sich gleich
in den Mund, den Rest verbarg sie sorgfältig in ihren schmutzigen Kleidern. Der Mon
Seniore sprach mit ihr, aber ich verstand kein Wort, da nahm sie mich plötzlich an
der Hand und führte mich durch den Wald, er immer hinter mir.
Der Wald veränderte
sich, es lagen keine Nadeln mehr so dicht herum und der Boden wurde ganz weich. Braune
Wasserlöcher, in denen dunkle Brühe stand, sie wurden immer mehr, sodass es schien,
als käme man nicht weiter. Ein Gestrüpp verbarg mir die Sicht, ich duckte mich.
Vor
mir breitete sich eine große Fläche mit grünen Gräsern aus, als ich darauf trat,
wich sie langsam nach unten weg und Wasser kam hervor. Ich wollte zurück aber das
Mädchen zog mich regelrecht und wollte weiter. Die Grasfläche hielt und nur wenig
Wasser drang in meine Schuhe ein. Wieder ein Gestrüpp, wieder musste ich mich bücken,
als ich aufsah, sah ich sie. In mitten eines weiteren sumpfig grünen Feldes stand
sie, eine in Weiß gekleidete blonde Frau, die Sonne kam von oben durch die Baumwipfel
und leuchtete sie in einem merkwürdigen Licht aus. Einen Moment lang starrte ich
sie an oder waren es Minuten? Jedenfalls zog was an meiner Hand, ach so das Kind.
Monsignore quälte sich ebenfalls durch das Gebüsch mit einem großen Seufzer.
Mein
Vater hatte mir gesagt, dass ich sie hier finden würde. So, so sagte Monsignore.
Erst später kam mir der Gedanke, wie er den wissen konnte, dass wir gerade hier sind.
Der Wald war riesen Groß und selbst, wenn uns jemand hineingehen gesehen hätte. Wie
kam sie ausgerechnet auf diese Stelle? Und hatte sie gar keine Angst, so ganz allein?
Sie müssen der geheimnisvolle Priester aus Rom sein, von dem mir mein Vater schon
so viel erzählt hat. Er murmelte nur, ach so Geheimnisvoll bin ich nun auch wieder
nicht. Und sie, wer sind sie? Sie sah mir tief in die Augen. Ja, wer bin ich eigentlich?
Das frage ich mich selbst oft. Man nennt mich Carl Friedrich Säglitz und stamme aus
Deutschland. Sind sie auch von der Kirche, fragte sie. Nein, Nein natürlich nicht
antwortete ich hastig. Natürlich wollte ich nicht, dass sie irgendwelche falsche
Schlüsse zieht! Die reichte mir die Hand zum Handkuss, den ich galant ausführte.
Sie stellte sich als Fräulein Pascalino vor. Was suchen sie denn hier fragte sie?
Wir wollten uns ein bisschen umsehen und trafen auf dieses Mädchen, das führte uns
hier her. Es scheint mir so, dass es uns etwas zeigen möchte. Würde es ihnen etwas
ausmachen, wenn ich sie ein Stück begleite. Fragte sie ganz unschuldig. Sie gefiel
mir sehr, sie war eine wunderschöne Frau und hatte langes blondes Haar, vermutlich
war das in dieser Gegend eher eine Seltenheit. Aber durchaus nicht ungewöhnlich.
Die ganze Zeit, während des Gespräches sahen wir uns in die Augen. Die kristallklar
zu scheinen schienen.
Die Kleine nahm sie und mich an die Hand so, dass sie zwischen
uns war und führte uns weiter bis der Boden wieder fester wurde und der Wald angenehmer
war. Fast hätte man glauben können eine Familie geht durch den Wald. Das fiel nicht
nur mir auf, den Monsignore lachte mich, Augen blinzelnd an, als ich mich einmal
zu ihm umdrehte. Und er lachte nicht oft! Fast hätte man vergessen können, weswegen
wir hier waren und wie gefährlich es noch vor ein paar Minuten doch war. Oder hatte
das mir meine Angst nur eingeredet?
Der Wald duftete und sie erst. Ab und zu sah sie
mich mit ihren blauen Augen an so, dass ich richtig Glücklich wurde. Ich spürte wie
es mir plötzlich Vergnügen bereitete durch diesen Wald zu laufen, wo ich doch je
her eine große Abneigung gegen dunkle Wälder hatte. Meine Großmutter erzähle mir
in meiner Kindheit, oft von den merkwürdigen Dingen, die dort vor sich gingen. Hexen
und Räubern die einen für ein Wurststück und ein Brot schon einen Dolch in den Rücken
rammten. Aber vor Räubern hatte ich keine Angst! Auch diesen abscheulichen Mörder
der so viele Unschuldige schon umgebracht hatte, würden wir schon zu fassen bekommen.
Da war ich mir ganz sicher. Plötzlich tauchte eine armselige Hütte vor uns auf, um
sie herum lauter Schmutz in dem eine Frau an einem Fetzen herum nähte. Sie erschrak
als sie uns kommen sah, aber als das Kind zu ihr lief und etwas zu ihr rief, wurde
sie schon ruhiger. Die Kleine holte das Brot, das sie so sorgfältig verwahrt hatte,
hervor und brach es in der Mitte durch, gierig aß die Frau etwas davon. Das Mädchen
verschwand in schnell in der Hütte. Wir trauten uns kaum hineinzugehen, aber Monsignore
versprach sich offenbar einiges davon. Das Kind hatte ihm von ihrem kranken Vater
erzählt, der in der Hütte lag. Es liefen mir Schauer über den Rücken, als er uns
von seinen Beobachtungen erzählte, von Geister, die er aus dem See aufsteigen sah
und wie sie sich ihre Opfer geholt hatten! Wir blickten uns gegenseitig vielsagend
an und keiner brachte mehr ein Wort heraus. Ich war mir nicht sicher, ob ich das
glauben sollte was der Alte erzählte, da er doch ziemlich krank war. Beim Verlassen
der Hütte verlor ich ganz zufällig noch ein paar Münzen aus meinem Beutel so, dass
es niemand bemerkte. Normalerweise gab ich keinem Bettler was, wenn er mich danach
fragte, es waren doch so viele von ihnen aber diese Leute fragten mich nicht. Trotz
ihres Elends hatten sie ihren Stolz und wäre der Mann nicht so schwer krank, dann
würde er doch Arbeiten können und seine Familie ernähren. Ich warf Fräulein Pascalino
einen vorwurfsvollen Blick zu. Denn schließlich war es das Gebiet, in dem ihr Vater
das sagen hatte. Aber sie blickte nur auf den Boden und zum ersten Mal, sah sie mich
nicht mit ihren klaren Augen an. Man wusste nicht, weswegen die Dorfgemeinschaft
die Leute ausgestoßen hatte oder wussten sie gar nichts von ihrer Anwesenheit? Wir
verabschiedeten uns und gingen den Weg, den wir gekommen waren wieder zurück, bis
plötzlich das kleine Mädchen kreischend hinter uns herlief. Es mussten vielleicht
ein paar Minuten vergangen sein. Die Tränen rannen über ihre kleinen schmutzigen
Backen herab. Sie sprach immer die gleichen Worte. Wir rannten zu der Hütte zurück
und schon von einigen Metern aus konnte ich die Mutter am Boden liegen sehen, Tot!
Grausam erstickt, ebenso wie der Vater der Tod in seinem Bett lag. Diese Bestie dieses
Monster musste uns gefolgt sein und hat dann die beiden kurz nachdem wir weg waren
umgebracht! Nur die Kleine ließ er noch am Leben. Wir ragten sie immer wieder was
denn geschehen sei doch sie stammelte immer nur wirre Worte, die keinen Sinn ergaben.
Wir nahmen das Kind mit uns, Sie kümmerte sich von nun an um die Kleine, was ihren
Vater sehr missfiel. Nachdem wir einige Leute geholt hatten und der Monsignore die
Leichen untersucht hatte, beerdigten wir sie auf dem Friedhof nahe der kleinen Kirche.
Neben den vielen anderen frischen Erdhügeln, auf denen primitive schlichte Kreuze
standen. Es kamen nicht viele aus dem Dorf zur Beerdigung, wir waren fast ganz allein.
Nicht einmal der Pfarrer, der sowieso nur einmal in der Woche und zu besonderen Angelegenheiten
vom größeren Dorf aus der Nähe kam. Traute sich hier herzukommen. Und da er gehört
hatte, dass schon ein Geistlicher anwesend sei, hielt er es wohl auch nicht für eine
dringende Notwendigkeit. Aber das war natürlich nur eine Ausrede, das war jeden von
uns klar.
Wie der Teufel Ritt ich nach Milano zurück, um verwegene Männer zu sammeln,
die uns halfen diesem Monster auf die Schliche zu kommen. Die Mähne meines Pferdes
wehte im Wind, als ich über Wiesen und Felder den Weg abkürzte. Durch Dörfer die
keine Namen hatten und nur eine Straße in deren Mitte ein Graben war, nur notdürftig
ausgehoben, um die Fäkalien der Menschen und Tiere, die mit ihnen im selben Raum
lebten aufzunehmen. Schmutzige Kinder Gesichter starrten mich an, die nur Fetzen
auf dem Leib trugen und in der Kloake spielten.
In einer schäbigen Taverne fand ich
schon bald geeignete Männer, die für wenig Lohn auch die größten Gefahren auf sich
nahmen. Zum Glück waren es Reisende, die von den schrecklichen Ereignissen noch nichts
gehört hatten. Es waren zehn Mann an der Zahl, wie viele dieses Abenteuer mit dem
Leben bezahlen würden ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber es sollten noch
viele frische Erdhügel aufgehäuft werden.
Schon bald darauf trafen wir im Dorf ein
und machten uns daran, unsere Waffen zu schärfen und unser Pulver einzuteilen. Als
wir sie aufklärten, schienen sie sich nicht zu fürchten und erklärten, dass es sich
dabei nur um einen Menschen handeln könnte und sie würden diesen schon zu Strecke
bringen. Paolo kochte für uns alle und wir waren zuversichtlich diese Bestie zu fangen
und richten.
Bis zum Abend verbrachten wir mit den Vorbereitungen und ruhten uns ein
wenig aus, zwei Mann hielten auf einem Hochstand, in einem Baum, am See aus. Wir
waren der Meinung das von dort oben, der See am besten zu überwachen sei. Die beiden
Männer hatten beide eine Büchse bei sich und sollten bei Gefahr uns mit einem Schuss
in die Luft warnen. Bald kam der Spätnachmittag und mit ihm zog Bodennebel auf. Seit
geraumer Zeit hatten wir von den beiden, nichts mehr gehört und es war Zeit sie endlich
auf ihrem vom Wind geplagten Hochstand ablösen. Zwei der Männer, mit großen Mänteln
und mit hochgeschlagenen Kragen, gingen nun zum See. Sie sollten nun die nächsten
Stunden mit der Wache verbringen. Es war schon mehr als eine halbe Stunde vergangen
und die beiden Männer deren Wache vorbei war, kamen nicht, obwohl man für den Weg
vom See bis zum Dorf höchstens zehn Minuten brauchte. Langsam begann ich mir Sorgen
zu machen als wir zwei Schüsse vom See her hörten. Aufgeschreckt sprangen alle zu
ihren Waffen, zogen ihre Mäntel über und rannten den Weg hinunter zum Hochstand.
Der Weg führte zum See bis zu einer Buschgruppe und dann in den Schilfgürtel bis
zu ein paar dicken Bäumen die einzeln da standen. Dort war in einer Baumkrone einige
dicke Stämme zu einer Plattform mit Geländer und einer Bank zusammen genagelt. Von
ihr aus wollten wir den See überwachen oder zumindest den Mörder mit unserer Anwesenheit
abschrecken. Unser Atem ging schnell als wir das Schilf erreichten und wir liefen
den Pfad entlang. Von weiten sah ich die beiden Männer der ersten Wache oben auf
dem Hochstand stehen und fluchen, als wir sie erreichten, meinten sie, warum wir
sie nicht ablösen würden und ob wir sie ewig hier oben stehen lassen wollten.
Aber
sind denn die beiden nicht bei euch, fragte ich? Nein wir haben niemanden gesehen.
Aber sie sind doch schon vor einer Dreiviertelstunde bei uns weggegangen! Die Gesichter
der Männer wurden blass. Wir suchten überall, ich selbst ging den Weg zum Dorf zweimal
ab. Dabei rief ich immer wieder ihre Namen aber bekam keine Antwort. Es fing an zu
dämmern und bald würde es dunkel sein, deswegen ließ ich Fackeln herbeiholen.
Monsignore
Galvani kam, zusammen mit dem Conte Pascalino und Herrn Grimaldi, er schlug vor eine
Kette zu bilden und das Schilf abzusuchen.
Dann kam die Dunkelheit. Wir bildeten eine
Reihe, ein Mann mit einer Fackel und ein zweiter der mit dem Stutzen neben ihm ging.
So durchsuchten wir systematisch das Schilf neben dem Weg ab.
In dem flackernden Licht
war kaum etwas zu erkennen und das macht mich irgendwie nervös. Man sah immer nur
ein paar Schritte, wobei einem andauernd das Schilf in das Gesicht schlug. Es juckte
überall. Auf einmal vernahm ich einen dumpfen Schlag und hörte einen langen Fluch,
den der Monsignore besser nicht gehört hätte. Ich sah in die Richtung und mir fiel
auf das man das Licht, derer die neben uns waren, nicht mehr sah.
Jeder konnte in
diesem Dreck einmal hinfallen, aber die Männer drüben gingen nicht mehr weiter und
Stimmen waren auch nicht mehr zu vernehmen. Andere kamen hinzu, da wurde mir klar,
dass wir gefunden hatten, wonach wir gesucht hatten.
Im Lichtschein der Fackeln lag
einer der beiden und nur wenige Meter entfernt der zweite, seine Hände krallten sich
in den Harten, leicht gefrorenen Boden. Die Körper verkrümmt und mit blauen Gesichtern
wie bei den anderen. Was konnten wir tun, wenn zwei schwer bewaffnete Männer sich
nicht einmal wehren konnten? Sie mussten überrascht worden sein, denn sonst hätten
sie wenigstens einen Schuss abgeben können. Aber was machten sie so weit weg vom
Weg, sind sie vor etwas geflüchtet? Warum hatte die Wache auf dem Turm nichts gemerkt?
Große Wut packte die Männer, darüber das sie nichts tun konnten, um den beiden zu
helfen. Sie bildeten wieder eine Reihe und suchten nach Spuren. Aber bei den vielen
Leuten, die um die Leichen herumgegangen waren, konnte man nichts mehr erkennen und
in der Dunkelheit schon gar nicht.
Monsignore Galvani und der Graf sorgten dafür,
dass die toten Männer zum Gutshof gebracht wurden. Herr Grimaldi redete nur immer
wieder vom Teufel. Er hatte die Hosen gestrichen voll. In den Gesichtern meiner Männer
war keine Furcht zu sehen, sondern nur unendliche Wut. Und einige waren fest entschlossen
jetzt erst Recht den oder die Täter zu finden. Die furchtbare Nachricht hatte sich
schnell rumgesprochen und die Dorfbewohner kamen aus ihren Häusern, um dem Grafen
Vorwürfe zu machen, als sie die toten Männer allerdings sahen, schämten sie sich,
das diese ihr Leben für sie gegeben hatten. Das so grausam geendet hat.
Am See ging es heiß her. Die Männer durchkämmten das Ufer mit seinem Schilfgürtel,
sobald sich etwas bewegte wurde aus allen Rohren wie Wild gefeuert. Schon bald aber
fand man nur tote Enten oder ein anders totes Tier.
Der Morgen graute, völlig übermüdet
gaben die Männer auf, und vielen in einen tiefen Schlaf. Ich selbst übernahm die
Wache auf dem Turm trotzdem das auch ich die ganze Nacht, auch kein Auge zu gemacht
hatte. Alles sah so friedlich aus, nur sehr kalt war es, zusammen gekauert in einen
großen Mantel hockte ich nun da und grübelte über die Ereignisse nach. Die Müdigkeit
ließ mich immer wieder kurz einnicken wobei ich immer wieder kurz hochschreckte.
Mit angestrengten Augen beobachtete ich den See und sein Ufer. Es gab nichts zu sehen
außer ein paar Enten, die umher schwammen. Alles ruhig, die Augen wurden schwer,
ich kämpfte dagegen an. Doch bald umhüllte mich Dunkelheit und die Kälte war vergessen.
Plötzlich erwachte ich und mir war nicht klar, wie lange ich geschlafen hatte, aber
Sonne stand ein gutes Stück am Himmel. Meine Augen schweiften über dem See, immer
noch war alles ruhig. Wie hatte ich nur einfach einschlafen können. Aber meine Augen
wurden wieder schwerer, doch eine plötzliche Bewegung am anderen Ende des Sees dort
wo Mon Seniore und ich schon einmal gewesen waren, lies alle Müdigkeit auf einmal
verschwinden. Täuschte ich mich oder war da nicht im Schilf eine Gestalt zu erkennen.
Oder spielten mir meine Augen einen Streich? Doch ja, für einen kurzen Augenblick
sah man jemanden umher huschen. Er musste gewartet haben bis alle weg waren und ist
dann aus seinem Versteck heraus gekrochen. War das dieses Monster oder nur ein einfacher
Bauer der von all dem nichts wusste. Doch sein Verhalten ließ andere Schlüsse zu.
Denn er gab sich sichtlich Mühe nicht entdeckt zu werden. Nur durch die erhöhte Position
konnte ich Teile von ihm sehen. Nur dadurch, dass ich zusammen gekauert und mit einem
Mantel umhüllt auf dem Hochstand saß, hatte er mich noch nicht entdeckt. Vermutlich
sah ich von weiten aus wie ein Sack oder ein ähnliches Gebilde. Am liebsten wollte
ich, die Anderen alarmieren oder herunterklettern und Monsignore Galvani holen, das
hätte mich aber verraten. Deshalb beschloss ich ruhig zu bleiben und zu beobachten
was der andere machte. Bald war er außer Sichtweite und ich konnte mich herunterwagen
von meinem Turm. Schleichend begab ich mich in die Richtung wo ich ihn vermutete
und wie ich schon mir dachte, begab er sich zu der Stelle, an dem wir die beiden
Toten fanden und suchte nach irgendetwas. Doch dann kam plötzlich der alte Graf den
Pfad entlang und bog ebenfalls zu der Stelle ein. Ich sah noch wie sich der unbekannte
im Schilf vor ihm verbarg. Der Graf suchte ebenfalls etwas am Boden und dann hob
er einen Gegenstand auf und wollte ihn unter seinem Mantel verbergen. Leider konnte
ich nicht erkennen um was es sich dabei gehandelt hatte. Plötzlich schnellte der
unbekannte aus seinem Versteck hervor, fast hätte ich geschrien, um ihn zu warnen,
aber ich war wie gelähmt. Anscheinend wollte er ebenfalls den unbekannten Gegenstand
an sich nehmen. Zu meinem Erstaunen kannte er den Mann. Eine heftige Diskussion entbrannte,
in dessen Verlauf der Unbekannte plötzlich ein Messer zog und auf den Grafen losging.
Dieser war aber auch nicht schlecht ausgestattet, denn er hatte auf einmal die Oberhand
gewonnen in dem er eine kleine Pistole zog und den andern damit bedrohte. Dann kam
es zu einem weiteren Wortgefecht, von dem ich leider nur einige Wortfetzen vernahm,
die der Wind herübertrug. Der Unbekannte zog sich in das Schilf zurück und der Graf
ging in die andere Richtung rückwärts weg, immer wieder drohend mit der Pistole.
Leider konnte ich nicht beide verfolgen und so entschwand der Graf in einiger Entfernung
im Dickicht. Was ihn hier herführte und woher er den Mann kannte, blieb mir zu diesem
Zeitpunkt verborgen. Aber eins wurde mir klar, dass hier einiges nicht stimmte und
seltsame Dinge vor sich gingen. Welche Rolle der seltsame Mann darin spielte, sollte
sich schon bald herausstellen. Denn ich war fest entschlossen dieses Geheimnis zu
ergründen. Wie, das war mir sofort klar. Wir mussten dem Mann habhaft werden. Leise
schlich ich hinter ihm her bis zu der Stelle am Waldrand, an der wir schon einmal
gewesen waren. Die Zweige gingen auseinander und er verschwand im Wald. Kurz wartete
ich noch und folgte ihm dann, dabei bückte ich mich unter den Zweigen hindurch.
Frisch
gestärkte weiße Bettlaken, was für ein Gefühl, wenn da nicht dieser Schmerz im Kopf
wäre. Meine Stirn glühte und nur widerwillig öffneten sich meine Augen. Doch als
sie sich geöffnet hatten, sahen sie in Augen, die so anders waren so tief, wie ein
klarer Bergsee und doch wiederum auch geheimnisvoll. Was ist den passiert? Wir haben
sie vor ein paar Tagen so am See gefunden, sagte sie. Nach der großen Beule auf ihrem
Schädel zu urteilen, hat man ihnen auf den Kopf gehauen. Vor ein paar Tagen, fragte
ich. Ja, sie hatten ziemliches Fieber und Schüttelfrost, wir hatten schon Angst um
sie. Im Fieber sprachen sie viele wirre Sachen. Ich wollte mich aufrichten, aber
sie hielt mich zurück. Das kleine Mädchen kam mit Monsignore Galvani und dem Grafen
herein und begutachtete mich. Sofort fragte ich den Grafen frei heraus, was er denn
mit dem Mann zu schaffen gehabt hätte und warum er uns nichts davon erzählt hat.
Erwartungsvoll blickte ich in seine Augen, aber ohne auch nur mit einer Wimper zu
zucken, fragte er wovon ich denn spräche. Ich erklärte ihm, dass ich ihn gesehen
hätte wie er mit einem Unbekannten kämpfte. Daraufhin lachte er nur und behauptete,
dass ich das wohl im Fieberwahn geträumt hätte! Er kennt weder diesen Unbekannten,
noch habe er mit jemanden am See gekämpft und stellte mich als Kranken hin, der nicht
mehr weiß was er redet. Das machte mich innerlich ziemlich wütend, vor allem das
er mich für so dumm hält das zu glauben. Ich wusste was ich gesehen hatte! Monsignore
trat an mein Bett und sagte, dass es schlimme Neuigkeiten gäbe. Es hätte wieder einen
Toten gegeben und daraufhin wären alle bis auf zwei unserer Männer geflohen. Sogar
einige Dorfbewohner wären geflüchtet. Die beiden Männer, unser Kutscher der kleine
Paolo und Jan, waren von der Horde die einzig anständigen gewesen, dass viel mir
schon früher auf. Als ich sie später fragte, warum sie denn nicht mit den anderen
geflohen seien und ob sie keine Angst hätten. Sagten sie das sie vermutlich mehr
Angst hatten als all die anderen zusammen, aber sie konnten uns doch nicht in Stich
lassen und schließlich wollten sie den Mann finden der all das getan hatte. Paolo
war ein kleiner schmächtiger Italiener aus der Nähe von Como. Er war nicht sehr groß
aber für seine Statur hatte er sehr viel Kraft, die man ihm gar nicht ansah. Vermutlich
hatte man ihn, in seiner Kindheit wegen seiner Größe sehr viel geärgert und das hatte
er durch einen festen Charakter und Schnelligkeit wieder wegmachen
wollen. Aber für uns war er trotzdem nur der kleine Paolo. Er stammte aus ärmlichen
Verhältnissen und schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Jan war wie ich im
Krieg, worüber er aber nicht sehr oft sprach. Im Ganzen war er eher immer der ruhige
und stille Typ. Aber er konnte reiten wie der Teufel und schoss hervorragend. Er
redete nicht oft, man könnte schon sagen fast nie, aber wenn er was sagte, hatte
es Hand und Fuß und die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer war ihm gewiss. Trotz der schlechten
Nachrichten, war ich noch immer erschöpft und der Schlaf übermannte mich. Mitten
in der Nacht erwachte ich, zuerst wusste ich gar nicht wo ich bin, erst nach einem
Augenblick war mir alles wieder klar in Erinnerung, sodass ich voller Tatendrang
aufstehen wollte. Da es aber stockdunkel im Zimmer war, sah ich nichts und stieß
an etwas, das ziemlich laut auf den Boden flog. Kurz danach hörte ich auf dem Gang
Schritte und die Tür ging auf. Sie stand mit einer Kerze in der Hand vor mir. Und
forderte mich auf, wieder ins Bett zu gehen. Sie stellte die Kerze auf einer Kommode
ab und wischte mir mit einem feuchten Tuch den kalten Schweiß von meiner Stirn. Anscheinend
hatte sie sich, die ganze Zeit während ich im Fieber lag um mich gekümmert. Die Kerze
erhellte ihr Gesicht in einem warmen Rot Ton und ihre Stimme klang sanft. Wir unterhielten
uns unendlich lange so, dass die Zeit wie im Fluge vorüberging. Als der Morgen schon
fast graute wollte sie sich noch einmal hinlegen und so verabschiedeten wir uns.
Einen Moment lang dachte ich daran sie zu küssen, aber ich hatte nicht das Gefühl,
dass sie das wollte und so trennten wir uns. An einschlafen war aber nicht zu denken
und so öffnete ich ein Fenster und schaute mir den Sternenklaren Nachthimmel an.
Die Luft war so frisch und rein, sodass ich mir viele Gedanken machte, die mich traurig
werden ließen. Warum war sie so lieb zu mir, aber doch so abweisend? In meiner Brust
da war so ein starkes Gefühl, das ich sehr traurig darüber wurde. Überall wo ich
hinkam interessierten mich die Frauen und die Frauen interessierten sich für mich.
Mit vielen hatte ich etwas, nicht aber nur oberflächlich, sondern meistens von reinem
Herzen. Oft dachte ich an die Frauen auch noch nach Jahren und immer in Liebe. Aber
in meinem inneren, in meinem Herzen suchte ich irgendwie nach etwas, das unerreichbar
zu scheinen schien. Was das wusste ich nicht. Aber mein Herz sehnte sich danach.
Der
Morgen graute und leichter Nebel kam über dem See auf. Das tiefe Dunkelblau des Nachthimmels
wich langsam dem immer heller werden Hellblau des Tages. Farben in allen Tönen von
dunkelblau bis blutrot durchzogen den Horizont. Die Luft war kühl und angenehm. Plötzlich
bemerkte ich eine vermummte Gestalt, gegenüber an einer Scheune. Sie versuchte sich,
immer im Schatten der Häuser zu bewegen. Schnell zog ich meine Stiefel an und nahm
meinen Morgenrock und ließ mich vorsichtig am Fenster hinab. Langsam und leise schlich
ich bis zum Ortsrand hinter der Gestalt her. Dann wurde es schwieriger, es kamen
große Wiesen und es gelang mir nur sehr schwer dort ungesehen vorwärtszukommen und
so wurde der Abstand zwischen uns immer größer. Als ich gerade eine Baumgruppe passierte
sah, ich wie die Gestalt am Waldrand stehen blieb und mit zwei Männern, die aus dem
Wald kamen, sprach. Kriechend versuchte ich näherzukommen, um sie zu belauschen.
Das Gras duftete frisch und war vom Tau feucht und erst jetzt wurde mir bewusst,
dass ich ja nur einen Morgenrock trug, denn der Tau durchdrang meine nur leichte
Bekleidung. Als Männer im Wald verschwanden, wollte ich aufstehen, doch im selben
Moment blitzte es an mehreren Stellen am Waldrand auf und Pulver Wolken breiteten
sich auf der Wiese aus! Ein Zischen zeigte mir, das die Geschosse mir galten, denn
sie flogen nur wenige Ellen an mir vorüber! Blitzschnell sprang ich auf und lief
in Richtung der Baumgruppe zurück, ich wusste genau, dass die Ladetätigkeit ca. 5
Sekunden dauerte und zählte innerlich mit und als ich bei 4 war, warf ich mich auf
den Boden.
Wie sich herausstellen sollte keinen Moment zu früh, denn die nächste Salve
schlug ganz in meiner Nähe ein und beißender Pulverdampf erfüllte diesen wunderbaren
Morgen. Schnell sprang ich auf und näherte mich einer Mulde, an deren Rand ich mich
in den Dreck warf. Mein Atem ging schnell und mein Herz pochte wie wild. Am Waldrand
war nichts zu sehen und unheimliche Stille trat ein. Nur mein Atem war zu vernehmen.
Die Gedanken flogen wild umher und ich versuchte die Zusammenhänge zu verstehen,
aber diese blieben mir verborgen. Es waren wohl einige Minuten vergangen da kamen
Paolo und Jan mit unseren Pferden bis an die Zähne bewaffnet herangeritten. Die Pferde
blieben zurück, als wir im schnellen Laufschritt die Wiese nahmen und erreichten
ungehindert den Waldrand. Rasch drangen wir in ihn hinein, die geknickten Äste und
die Geräusche wiesen uns den Weg. Wir nahmen die Verfolgung auf, die uns immer tiefer
in den Wald führte bis der Boden wieder weicher wurde und sich die braunen Pfützen
wieder mehrten. Im Laufschritt holten wir die Fremden Männer allmählich immer mehr
ein. Keine 30 Meter vor uns waren sie, einer überstieg gerade einen umgefallenen
Baum und rannte weiter. Wir hinterher, ich mit meinem Kavallerie Karabiner und Paolo
und Jan mit Pistolen und Messern bewaffnet.
Wir kamen an dem Baum, der uns die Sicht
nahm, überstiegen ihn uns liefen weiter zwischen den Bäumen durch. Plötzlich blieb
ich mit dem Fuß in einer Baumwurzel hängen und es schlug mich mit der ganzen Länge
auf den Boden hin. In dem Moment krachte ein einzelner Schuss aus einem Strauch heraus
und verfehlte mich nur um Haaresbreite. Dabei schlug mein Gewehr auf dem Boden auf
und ein Schuss löste sich. Ein Wildes Handgemenge brach aus und ich kann gar nicht
mehr genau sagen, was genau passiert ist. Ich weiß nur mehr das ich mich mit aller
Gewalt gewehrt habe und einen der Männer, der die Flucht ergriff, verfolgte bis er
in ein Moorloch fiel. Dabei wäre ich beinahe selbst auch mit reingerutscht, aber
ich konnte mich gerade noch festhalten. Es war derselbe unbekannte Mann, den ich
mit den Grafen streiten sah. Er steckte bis zu Hüfte im Dreck fest und irgendwie
sah er dem Grafen sehr ähnlich? Wenn man sich den Bartwuchs und die Haare, die ins
Gesicht hingen, wegdenkt, sah er fast genauso aus wie er. Er starte mich mit wütenden
Augen und böser Miene an in seinen Augen war der blanke Hass gegen mich erkennbar.
Schweigend nahm ich einen dicken Ast vom Boden. Er dachte wohl, dass ich ihn damit
erschlagen wollte, da er ziemlich ängstlich wurde. Aber wollte ihm damit nur heraushelfen.
Aber vorher wollte ich noch wissen, um was es hier eigentlich geht! Und warum auf
mich geschossen wurde. Und was ich dann vernahm, war alles andere als schön. Er war
der jüngere Bruder des Grafen, Antonio und der wahre Erbe der Ländereien. Zwar war
er der Jüngere jedoch so behauptete er, hätte sein Vater ihm alles vermacht, da sein
Bruder bei ihm in Ungnade gefallen war. Und ihn wegen mehrerer Vorfälle und da er
ihn für unfähig und herzlos hielt, zum Teil enterbte. Als er dann auf einer Geschäftsreise
von den Kriegswirren erfasst worden war und nach einigen Jahren zurückkehrte. Wollte
der Bruder ihn dann um sein Erbe bringen. Eine Urkunde und der Ring des Vaters bewiesen
das, diese habe der Bruder ihm aber mit Gewalt abgenommen und ihn wie ein Hund wegjagen
lassen. Er ging sogar so weit das er auf ihn Schießen lies. Also kehrte er mit einigen
seiner Kameraden alles Spießgesellen und Halsabschneider wieder zurück um sich sein
Recht zu nehmen. Gerade wollte ich ihm heraushelfen als ich von hinten gerammt wurde
und selbst im moorastigen Dreck landete. Einer seiner Freunde half ihm heraus, doch
mich ließen sie im Dreck stecken.
Schweine Bande, gerade wollte ich ihm noch helfen
und jetzt hatte ich den Dreck davon. Mit allen Kräften versuchte ich an den festen
Boden zu kommen, doch es gelang mir nicht. Die Masse war so zäh, dass ich einfach
keinen Halt fand. Der Wald war still und unheimlich, wo waren nur Paolo und Jan,
hoffentlich hatten sie den Kampf überstanden. Sie mussten doch in der Nähe sein,
ich fing an zu rufen, erst leise dann immer lauter bis ich nur noch brüllte, Wut
erfasste mich dabei schlug ich mit der Faust in den Dreck. Das hatte allerdings nur
die folge das dieser mir auch noch in den Mund spritzte! Der Geschmack war widerlich!
Langsam sammelten sich Tränen in meinen Augen und ich wurde über mich selbst wütend.
Verbissen ruderte ich mit dem Armen und verbraucht dadurch die letzten Kraftreserven.
Nach längerer Zeit wurde mir klar, dass niemand mich hier finden wird und ich elendig
in diesem Drecksloch verrecken werde! Nicht ein laut war zu hören. Selbst die Vögel
schienen ihre Stimmen verloren zu haben. Nur ab und zu das Gluckern des Morastes.
Wie
lange ich dort fest saß, war mir erst hinterher klar geworden, mir kam es vor wie
eine Ewigkeit. Ein Knacksen von Ästen ließ mich aufhorchen anscheinend näherte sich
jemand. Denn man hörte deutlich das sich ein oder mehrere Personen durch den Wald
auf mich zu bewegten. Alle Kraft zusammen nehmend rief ich um Hilfe aber keiner antwortete
mir. Immer wieder rief ich doch blieben mir die anderen die Antwort schuldig. Fast
bekam ich es mit der Angst zu tun. War jemand zurückgekehrt, um sein Werk noch zu
vollenden? Das Krachen kam langsam näher und plötzlich kam ein Kopf durch das Gestrüpp!
Erschrocken blickte ich in seltsame große Augen, die zum Gruseln waren und doch Freude
bei mir auslösten. Es waren die Augen meines Pferdes, das vermutlich Paolo auf der
Wiese zurückgelassen hatte. Dummerweise war der Zügel an einem kleinen Ästchen hängen
geblieben, so versuchte ich vergeblich mich irgendwo an seinem Kopf festzuhalten,
dies gelang mir aber nicht. Nach einer Weile hatte ich keine Kraft mehr und ließ
mich wieder in den Morast sinken. Es schaute mich nur treuherzig an und versuchte
näher zu kommen aber dabei lief es immer wieder Gefahr selbst abzurutschen. Was sollte
ich nur tun? Minuten vergingen oder waren es doch nur Sekunden. Plötzlich schüttelte
es sich und er Zügel schwang mir entgegen. Wie ein Wunder ergriff ich ihn und dachte
zieh! Doch es zog nicht! Das gibt’s doch nicht. Verzweifelt warf ich Dreck nach ihm
und dann endlich ging er zurück und ich war frei. Wie tot lag ich da und schaute
zwischen den Bäumen hindurch gegen den Himmel. Das war noch einmal gut gegangen.
Ich schloss für einen Moment die Augen, aber schon nach kurzer Zeit wurde es eisig
kalt und ich raffte mich hoch. Langsam schleppte ich mich durch den Wald, mit einem
Arm hielt ich mich am Sattelzeug fest und eigentlich schleppte nicht ich mich, sondern
mein Pferd mich. Es führte mich ins Freie, was für ein braves Tier wie menschlich
es doch war. Andere sahen nur einen Gegenstand oder ein Nutztier darin. Aber wer
sein Pferd kannte, der wusste was es dachte und was es einem auf seine Weise mitteilen
wollte. Es empfand genauso Freude und Trauer wie wir und manchmal schien es mir,
als würde es Lächeln. Er war nicht nur mein Pferd, sondern auch mein Freund. Und
diese Freundschaft vertiefte sich durch dieses Ereignis noch mehr.
Als wir auf der
Wiese außerhalb des Waldes ankamen, ließ ich mich nur fallen und versank in einen
tiefen Schlaf. Ich wachte erst auf, als mir die grell heiße Sonne in das Gesicht
schien. Der Dreck an meinem Morgenrock war bereits hart geworden und bröckelte bei
jeder Bewegung ab. Die Sonne machte mir starke Kopfschmerzen und das Licht war sehr
unangenehm. Mein Pferd graste neben mir friedlich auf der Wiese. Ein unbändiger Durst
überkam mich und ich rappelte mich auf, um mich umzusehen. Nirgendwo war eine menschliche
Seele zu sehen. Mann musste mich doch schon vermissen? Langsam sitze ich auf und
reite zurück. Unterwegs dachte ich, dass ich verdurste, wenn ich nicht sofort etwas
trinken würde, aber dieses Gefühl kannte ich aus dem Krieg und zog es vor, nicht
aus irgendeinem Gewässer zu trinken. Es musste nur irgendwo oberhalb, ein totes Tier
im Bach liegen und schon war man am Ende. Dann kam mehrere Tage lang nur noch wässriges
hinten raus und wenn man Pech hatte, führte es sogar zum Tode. Vom weiten hörte ich
bereits laute Gespräche und das Wiehern von Pferden aus dem Dorf. Vor dem Alten Gutshof
standen etwa 20 berittene Soldaten, ein Mann von großer Statur und entschlossenem
Aussehen, diskutierte mit dem Grafen und Mon Seniore. Herr Grimaldi stand nur da
und schaute auf den Boden. Als sie mich sahen, war es plötzlich still. Zum ersten
male, sah ich. Mon Seniore etwas aufgebracht. Wo waren sie, wir haben überall nach
ihnen gesucht! Verwundert über diese Frage sagte ich nur. Haben sie denn am Morgen
die Schüsse nicht gehört? Doch antwortete plötzlich der Graf, der sehr aufgebracht
über die Anwesenheit der Soldaten schien. Was mir, auch verständlich war! Nachdem
ich hinter sein Geheimnis gekommen war. Aber ich ließ es mir nicht anmerken. Noch
wollte ich einige Sachen klären bevor ich diese Neuigkeiten herum plauderte. Vor
allem wollte ich wissen wie Fräulein Pascalino zu dieser Angelegenheit stand.
Sie
und ihre zwei Vertrauten waren plötzlich verschwunden und niemand wusste was passiert
war. Vermutlich haben sie in ihrem Fieberwahn wieder fantasiert und selbst rumgeschossen!
Wo sind denn ihre beiden Freunde? Und wie sehen sie überhaupt aus! Fast wäre mir
der Kragen geplatzt und nur die Frage nach Paolo und Jan hielt mich von einem Wutausbruch
ab. Nach all dem, was sich in den letzten Stunden mitgemacht hatte, kam mir ausgerechnet
so ein mieser Mensch, der den eigenen Bruder, nur des Geldes wegen wegjagt, dumm
daher. Nach einem tiefen Luftholen und einigen Sekunden Pause fragte ich, ob denn
die beiden nicht zurück seinen? Darauf kam nur ein kaltes Nein aus seiner Stimme.
Da mischte sich plötzlich der Offizier ein, der die Soldaten führte. Er erklärte
mit lauter Stimme, als spräche er zu allen umstehenden. Dass man die Bestie, die
all die Menschen umgebracht hatte gefunden hätte. Nur einen halben Tagesritt von
hier sei ein Bewohner eines anderen Dorfes von ihr angefallen und gewürgt worden.
Er und seine Männer werden jetzt diese Bestie zur Strecke bringen. Dann stieg er
auf und gab den Befehl zu anreiten. Mit schallenden Hufen verschwanden sie am Ende
des Dorfes. Fragend schaute ich Monsignore Galvani an. Er winkte, ich soll näher
kommen und nahm mich zur Seite. Dann sagte er, das er nicht glaube, was der Offizier
berichtet hat und wenn dann hätte das alles nichts mit dem zu tun, was an diesem
See hier geschehen würde. Aber er müsste wissen was dort vor sich ging. Ins Ohr sagte
ich ihm das Jan und der Paolo vermutlich tot sein. Erschrocken schaute er mich an.
Während wir sprachen, sah ich Sie mit der Kleinen am Fenster stehen und unsere Blicke
trafen sich. Eigentlich wollte ich ihr am liebsten zu lächeln, doch mir war ganz
und gar nicht danach. Vermutlich sah ich sie sehr Böse an, denn sie wendete sich
ab und verschwand vom Fenster. Hatte sie sich denn keine Sorgen um mich gemacht?
Nicht einmal herauskam sie, als ich mit Mon Seniore zu meiner Unterkunft zurückging
und dabei von meinem früh morgendlichen Ausflug ins Moor erzählte. Aber aus irgendeinem
Grund, sagte ich nichts von dem, was ich erfahren hatte. Nachdem ich mich gereinigt
und ein Bursche mein Pferd abgerieben und gefüttert hatte, Ritt ich den Soldaten
in voller Montur und nicht im Morgenrock hinterher. Ihre Spuren waren nicht zu übersehen
so, dass es mir ein leichtes war ihnen zu folgen.
Unterwegs machte ich noch einmal
einen Abstecher zu der Stelle wo ich aus dem Wald heraus kam und mein kleines Schläfchen
gehalten hatte. Mein Pferd scharrte mit den Hufen als wollte es mir sagen, nein geh
nicht schon wieder da rein, ich komm nicht noch mal um dich zu holen! Aber ich musste
Gewissheit haben, was war mit den beiden geschehen? Nach einer Weile fand ich das
Drecksloch wieder, in das ich am Morgen noch „Baden“ war. Üble Erinnerungen kamen
hoch, beinahe wäre ich hier im Dreck verreckt! Doch manchmal hilft einen die innere
Wut vieles zu überwinden und der Körper vergisst Schmerzen wieder sehr schnell. Man
kann sich daran erinnern, dass es schlimm war, doch an die Schmerzen an das Gefühl,
erinnert man sich nicht. Hier fand ich übrigens eine sehr schöne Taschenuhr, die
am Boden lag. Nach kurzer Betrachtung steckte ich sie fast achtlos ein. Die Stelle
zu finden, wo wir getrennt wurden, war nicht so einfach. Doch waren einige Spuren
eines harten Kampfes zu erkennen. Hier und dort lagen noch Kleidungsfetzen herum,
die mit Blut getränkt waren. Ein blutiges Messer lag unter einem Baumstamm. Ich befürchtete,
dass ich gleich einen der beiden finden würde. Seine Augen starr in den Himmel gerichtet,
suchend und anklagend und ich wäre schuld daran gewesen! Da einige Spuren wurden
dichter und jetzt sah man, dass hier Verwundete versorgt wurden. Es lagen einige
Kleidungsfetzen in breite Bahnen geschnitten herum. Man konnte sehen, dass einige
verbunden wurden. Nach längerer Suche fand ich keinen meiner Gefährten und spuren
führten im Wald in Richtung Osten. Doch konnte ich ihnen nicht folgen, da ich den
Soldaten hinterher musste. Aber ich schwor mir die beiden zu finden. Große Sorgen
um die beiden plagten mich auf meinem Ritt, der Bestie entgegen. Die Spuren der Soldaten
trennten sich an einer Stelle. Es sah so aus als, wenn sie sich in zwei Gruppen geteilt
hätten und eine Gruppe direkt in das Dorf hineinritt und die anderen von hinten sich
heranschlichen. Das Dorf war eine lausige armselige Ansammlung von Hütten, deren
Dächer noch mit Stroh gedeckt waren. Hier wohnten die Armen der Armen, das sah man
gleich, ausgestoßen aus der Gesellschaft. Gerade im richtigen Moment kam ich an,
um noch mitzuerleben, wie der Mann der diese grausamen Verbrechen getan haben soll,
verhaftet wurde. Drei Soldaten mussten ihn bändigen, denn er wehrte sich mit allen
vieren. Sein Aussehen war zum Fürchten, buckelig das Gesicht entstellt und seine
Hände ähnelten dem eines wahren Ungeheuers. Eine alte Frau stand daneben und beschimpfte
die Soldaten. Es war ihr Sohn wie ich später erfahren sollte. Sie rief immer wieder
„Tut ihm nicht weh, tut ihm nicht weh. Er wollte mich doch nur beschützen“. Als die
Soldaten ihn auf den Boden gedrückt hatten und ihm die Arme nach hinten umbogen,
um ihm Ketten anzulegen. Schrie er fürchterlich vor Schmerzen. Die alte Frau schlug
darauf hin immer wieder mit beiden Händen auf die Soldaten ein. So das andere sie
packten und in den Dreck der Straße stießen. Sie flog rücklings in den Matsch und
in ihren Augen war große Verbitterung zu sehen und über ihre Wangen liefen die Tränen.
Als ich näher kam, um mir den Mann anzusehen, sah ich tief in seine Augen. Alles
war an ihm zum Fürchten, doch seine Augen zeigten zwar Zorn, aber als ich tief in
sie hinein sah, sah ich nur einen kleinen Jungen. Dabei fielen mir gleich seine Hände
auf, die verkrüppelt waren. Wenn man sich die verkrüppelten Hände so ansah, dann
wusste man doch sofort, dass dieser Mann niemals die Kraft dazu gehabt hätte mehrere
starke Männer zu erwürgen. Als sie ihn wegbringen wollten, flehte die alte Frau den
Offizier an ihn nicht mitzunehmen, sie bettelte doch er blieb hart. Die Soldaten
und ihr Gefangener, der an ein Seil um den Kopf gebunden und in Eisen gelegt, hinter
den Pferden herlaufen musste. Verliesen das kleine Dorf und ich stand da, hilflos.
Was sollte ich tun? Da es schon bald Abend war, beschloss ich weitere Informationen
für Monsignore zu sammeln und blieb. Von der alten Frau ließ ich mir alles genau
erklären. Ihr Sohn musste sich schon sein ganzes Leben vor den anderen Menschen verstecken.
Er kam schon verkrüppelt auf die Welt, zuerst dachte man, das Kind stirbt bestimmt,
doch hatte es den Willen zu überleben. Man versuchte ihn ins normale Leben zu integrieren
doch gelang es nicht. Da die anderen Kinder immer wieder auf ihn losgingen und ihn
hänselten. Und dann kam der Tag, an dem noch alles schlimmer wurde. Der Vater starb
bei einer Kneipenschlägerei und der Junge ging einmal auf den Mörder seines Vaters
los. Daraufhin wurde er verhaftet und vermutlich gefoltert und misshandelt, denn
seine Hände die bis dahin in Ordnung waren wurden mehrmals gebrochen und wuchsen
nicht mehr richtig zusammen. Da kein Ernährer mehr vorhanden war und ihnen niemand
half, verarmten sie immer mehr und da es auf dem Land nicht so viele Menschen gab,
gingen sie aus der Stadt fort, sodass sie wenigstens noch ruhig leben konnten. Dort
wo sie herkamen, gab es zu viele Anfeindungen und Verleumdungen gegen ihn. Und jetzt
ist es hier genauso geschehen. Nur, weil er seine Mutter beschützen wollte. Vor ein
paar Tagen kam ein Steuereintreiber vorbei und wollte die rückständigen Steuern eintreiben.
Aber sie hatten doch nichts was sie ihm geben konnten. Da durchsuchte er die armselige
Hütte und fand aber ein Medaillon, das der Vater einst der Mutter geschenkt hatte
und das für sie alles bedeutete und die einzige Erinnerung an ihren Mann war. Sie
wollte das Medaillon nicht hergeben und riss es ihm aus der Hand. Daraufhin wollte
er es ihr wieder wegnehmen und dann kam es dazu das der Sohn, der sich in der Hütte
versteck hielt, aus einer Ecke herausschnellte und den Beamten würgte. Dass dieser,
sich völlig erschrak bei dem Anblick und glaubte der Teufel persönlich griffe ihn
an. Ist dann wohl klar. Der Mann riss sich los und entkam gerade noch dieser „Bestie“.
Sie versteckte den Jungen im Wald doch als die Soldaten kamen, wurde er von den Bewohnern
der anderen Hütten verraten. Man hetzte ihn über Felder bis zum Haus seiner Mutter.
Dort schnappte man ihn. Nach langem Gespräch faste die alte Frau Vertrauen zu mir
und bat mich in ihre Hütte. Einige Nachbarn schauten mir böse nach als ich in die
Hütte ging. Aus einem alten Glas holte sie einige Kräuter heraus und macht Wasser
heiß, das gab dann eine Brühe. Dazu legte sie ein steinhartes Stück Brot auf dem
Tisch, das sie mit mir teile. Diese Frau hatte nichts und trotzdem teilte sie mit
mir alles. Das Brot tunkte ich in die Brühe ein und so schmeckte es trotzdem ganz
ordentlich. Eigentlich schämte ich mich ihr das Brot wegzuessen, doch wäre es bestimmt
schlimmer gewesen, wenn ich es abgelehnt hätte. Natürlich nahm ich mir vor ihr bei
Gelegenheit etwas vorbeizubringen. Was ich später dann auch tat. Draußen wurde es
langsam Dunkel und ich wollte mich schnellstens noch auf den Weg machen, doch sie
lud mich ein zu bleiben, da die Straßen nachts gefährlich waren. Ich dachte mir nur,
wie gefährlich konnten die denn schon sein, nach all dem. Aber ich blieb und so schlief
ich in dieser armseligen Hütte. Aber das machte mir nichts aus, ich war schlimmeres
gewöhnt. Wenn man vor kurzem noch in einem Herrenhaus nächtige und aus Tassen trank,
deren Henkel so klein war, dass man nicht mit dem Finger durch kam, dann erschien
einem die Hütte wie ein Stall. Doch wenn man im Krieg, nach ständigen Entbehrungen,
leiden und tot dann endlich in so eine Hütte kam und ein Stück Brot in eine brühe
tunkte, dann war das wie Ostern und Weihnachten zusammen. Dann schmeckte Wasser wie
Wein, Brot wie Kuchen und ein Apfel wie bestes Kompott. Diese Erfahrungen ließen
mich mein ganzes Leben lang nicht los und immer wenn ich unzufrieden war, dachte
ich an diese Zeit und an das alles, was wir damals nicht hatten und was andere jetzt
nicht haben. Im Morgengrauen machte ich mich wieder auf den Rückweg.
Später erzählte man mir was auf dem Weg ins Gefängnis passiert war. Er wurde nach
Milano gebracht in die nächst größere Stadt, um ihn im Gefängnis zu verhören. Schnell
hatte es sich rumgesprochen das die Bestie gefangen worden ist und die Bewohner der
Stadt kamen von allen Seiten herbei, um ihn zu sehen. Auch Leute vom Dorf am See
waren da als man ihn durch die Stadt führte. Als die Bürger dieses Ungeheuer sahen,
das so viele getötet haben sollte. Waren sie außer sich von Wut und bewarfen ihn
mit Steinen und Dreck. Plötzlich schnellte ein Mann hervor und rammte ihm ein Messer
in die Brust. Er schrie kurz auf, in seinen Augen war entsetzen und dann war er sofort
tot. Der Mann, der zu stach, hatte zwei Kinder am See verloren und war blind vor
Wut als er ihn sah. Als ich es erfuhr, war ich erschüttert. Die Menschen waren so
leicht zu täuschen. Aus irgendeinem Grund nehmen sie an, dass ein schöner Mensch
auch eine gute Seele hat. Und ein böser Mensch hässlich ist. Wie sehr das nicht stimmt,
sieht man daran, dass gerade Massenmörder meist unscheinbare Familien Väter sind,
die nie auffallen. Das dumme war nur oder auch Glück, das ab diesem Tage nichts mehr
am See passierte. Kein Mensch starb mehr. Es war ruhig geworden und so glaubten die
Menschen, dass sie den rechten gerichtet hatten und fühlten sich bestätigt. Bis zu
dem Tag an dem sich alles aufklären sollte und die Menschen am See erkannten. Wer
wirklich das Ungeheuer, der Teufel, das Monster, das so viel Unglück über diese Menschen
brachte, wirklich war. Aber dazu später mehr. Dazwischen kam eine Zeit von vielen
Ereignissen, die ich bis ans Lebensende nicht vergessen werden sollte. Mon Seniore
erwartete mich schon sehnsüchtig, um von mir zu erfahren, was ich rausgefunden hatte.
Lange berichtete ich ihm über das was geschehen war. Wir waren beide der Meinung,
dass dieser verhaftete Mann nichts mit den Vorfällen zu tun hatte. Monsignore machte
auch immer wieder so Andeutungen, die ich aber nicht verstand. Er erklärte mir, dass
er einen Brief losgeschickt hätte und in wenigen Tagen einige wichtige Bücher und
Dokumente erhalten werde. Dann könnte er mir mehr dazu sagen. Wenn das alles stimmte,
was mir der angebliche Bruder des Grafen erzählt hatte, dann konnte mir nur eine
Person darauf eine Antwort geben. Diese Person suchte ich auf, Fräulein Pascalino.
Leise klopfte ich am Fenster zu ihrem Zimmer und lud sie auf einen Spaziergang ein.
Sie schlich sich aus dem Haus, warum wusste ich auch nicht. Eigentlich hätte es doch
jeder wissen können, dass wir zusammen einen Spaziergang machten. Aber sie tat sehr
geheimnisvoll. Sie meinte ihr Vater, dürfte das nicht sehen. Als wir dann eine Weile
gegangen waren und über dies und das gesprochen hatten, lenkte ich behutsam das Thema
auf ihre Verwandten. Aber entweder wusste sie wirklich nichts oder sie wich mir geschickt
aus. So das ich genauso klug war wie vorher.
Dann kam eine Woche des Wartens und des
Suchens. Tagsüber suchte ich nach Paolo und Jan, fand aber keine Spur von den beiden.
Mein Gewissen plagte mich so, dass ich die ganze Nacht kein Auge zubekam. Wo waren
die beiden nur? Was war ihnen zugestoßen? Abends sprach ich öfters mit Fräulein Pascalino,
wobei der Graf uns immer beobachtete. Er passte immer genau auf, wenn wir uns treffen
wollten und rief sie dann unter einem Vorwand ins Haus zurück. Den ganzen Tag ritt
ich umher und fragte jeden den ich traf, ob er etwas wüsste oder ob er etwas Ungewöhnliches
gesehen habe. Ich ging Hinweisen nach, die zu nichts führten und suchte alles ab.
Bis ich an einer Weggabelung einen alten Mann traf. Er trug einen Korb mit Pilzen
und etwas Reisig auf dem Rücken. Zum Grüßen nahm ich meinen Hut ab und verbeugte
mich leicht. Freundlich sprach ich ihn an so wie ich es schon den ganzen Tag getan
hatte. Er wusste nicht so recht was ich von ihm wollte, aber sagte, dass er in einer
alten Hütte im Wald, in der schon seit langer Zeit keiner mehr war, Fremde gesehen
habe. Es war schon spät und es würde bald dunkel werden, dennoch wollte ich mir diese
Hütte einmal genauer ansehen.
Der Weg, den mir der alte Mann beschrieben hatte, führte
einen Waldweg entlang. Nach einer halben Stunde käme dann eine Lichtung, auf der
eine Hütte stünde. Langsam wurde es Dunkel und nur durch den Mond konnte ich den
Weg noch sehen. Er schien zwischen den Bäumen hindurch und leuchtete den Weg etwas
aus, sodass man ihn gerade noch erkennen konnte. Mir war nicht gerade wohl zumute.
Überall sah man etwas Unheimliches, was sich dann doch nur als Zweig oder eine krumme
Wurzel herausstellte. Nach einiger Zeit war es dann auch genauso wie der alte Mann
es mir beschrieben hatte. Es war eine Hütte auf einer großen Lichtung mitten im Wald.
Vermutlich für Jagdzwecke erbaut. Deutlich sah man Licht brennen. Ich ließ mein Pferd
an einem Baum zurück und versuchte so gut es ging ungesehen über die freie Fläche
zu kommen was gar nicht so einfach war.
Leise schlich ich mich an die Hütte heran.
Durchs Fenster sah man Licht im Inneren der Hütte brennen und der Geruch von Rauch
aus dem Kamin fuhr einem in die Nase. Langsam ohne ein Geräusch zu machen, schlich
ich mich an das Fenster um hineinzusehen. Ein Mann saß vor dem Kamin und stocherte
im Feuer mit einem Schürhaken herum. Sonst war niemand zu sehen. Ich versuchte noch
von einem anderen Fenster aus etwas zu
sehen, aber außer diesem Mann war keiner da. Seitlich war noch ein kleiner Schuppen
angebaut. Auch dort schlich ich mich hin und versuchte leise die Tür zu öffnen. Leider
quietschte sie beim Aufmachen etwas und ich hatte Angst, dass es jemand gehört hatte.
Deshalb legte ich mich blitzschnell auf den Boden und wartete, ob sich etwas tat.
Aber es blieb alles still. Langsam schaute ich in den Schuppen hinein, aber man konnte
im Dunkeln einfach nichts erkennen. Ich ging hinein und schloss die Augen damit sie
sich an das Dunkel gewöhnen konnten. Aber das half nichts. Tastend erfühlte ich einige
Gegenstände. Es waren Schaufeln, Hacken eine Dose mit Nägeln und ein paar alte Möbel.
Im Großen und Ganzen nichts Besonderes, das auf irgendetwas im Zusammenhang mit der
Gefangennahme von Paolo und Jan hinwies, die ich seit dem Tag im Wald vergebens suchte.
Wieder machte ich mir große Vorwürfe das ich besser auf sie aufpassen hätte müssen
und, und, und. Langsam ging ich aus dem Schuppen und verschloss ihn hinter mir. Da
ich nicht wollte, dass sich jemand erschreckte, schlich ich natürlich genauso wieder
von der Hütte weg wie ich gekommen war. Gedanken gingen mir durch den Kopf, dass
dieser Tag wieder völlig sinnlos vergeudet wurde und ich jetzt durch den Wald wieder
zurückmusste. In dem Moment als ich gerade 5 Meter von der Hütte weg gegangen bin,
ging keine 3 Meter neben mir plötzlich der Boden auf und Lichtschein trat heraus.
Es öffnete sich eine Falltüre, die mit Gras getarnt war. Sodass ich sie, selbst wenn
ich drauf gestanden wäre, nicht gesehen hätte. Und ein Mann kam heraus und ging zur
Hütte rüber und verschwand darin. Noch ganz überrascht über diesen Vorgang, lag ich
am Boden, auf den ich mich blitzschnell geworfen hatte und dachte nach. Schnell bewegte
ich mich an das Fenster zur Hütte zurück und sah durch das Fenster und wer stand
da und unterhielt sich mit dem Mann am Kamin. Der angebliche Bruder von diesem Grafen!
Da sie beschäftigt aussahen, ging ich zu Falltüre zurück und suchte einen Griff oder
ähnliches. Obwohl ich gesehen hatte, dass sie an der Stelle war, musste ich erst
ein paar Mal tasten und suchen bis ich sie fand und den Griff mit dem man sie anheben
konnte. Langsam öffnete ich sie und ließ mich in den darunter liegenden Raum hinab
gleiten. Das Ding war gar nicht klein etwa 3Meter breit und 7 bis 8 Meter lang. Ein
alter Fetzen Stoff der gleich hinter dem Eingang gespannt war, versperrte mir aber
zunächst die Sicht auf den Rest dieses Fuchsbaus. Leise fragte jemand nach einem
Namen, ich grummelte ein ja, ja, dann zog ich einer meiner Pistolen und nahm sie
am Lauf in die Hand. Sodass, ich sie zum zu hauen benutzen konnte. Streifte den Vorhang
sanft bei Seite wo ich schon in zwei erwartungsvolle Augen schaute. Sie gehörten
Jan, der gefesselt am Boden saß und mich beobachtete. Auf einigen Strohkissen lag
der kleine Paolo, er hatte die Augen verschlossen und war mit einigen Verbänden verbunden
worden. Einer der Männer aus dem Wald war an einem kleinen Holztisch, worauf Karten
ausgebreitet lagen und wie es mir schien, hatte er sich gerade die Karten vom Gegenspieler
angeschaut, da ich noch seine Handbewegung sah, als er sie schnell zurücklegte. Ein
kurzer Schlag auf den Hinterkopf und schon kippte er vorne über. Was ihm ja auch
recht geschah, da man so was ja auch nicht macht! Oder? Schnell befreite ich Jan,
der mich so umarmte und mich dabei hochhob, dass ich mit dem Kopf an sie Decke gedrückt
wurde. Wir weckten den kleinen Paolo. Langsam öffneten sich seine Augen und als er
mich sah, kam ein Lächeln über sein Gesicht. Er war aber noch zu sehr geschwächt
um selbst laufen zu können. Jan nahm ihn in seine Decke gewickelt einfach über die
Schulter. Wir sprachen nicht viel, aber in unseren Augen waren fast ein paar Tränen.
Langsam öffnete ich die Klappe und schaute hinaus, niemand war zu sehen. Zusammen
hoben wir Paolo aus dem Versteck heraus. Lautlos deutete ich Jan, dass er Paolo zum
Waldrand tragen sollte und ich nachkommen würde. Seine dunkle Gestalt verschwand
in der Nacht. Noch einmal schaute ich durch das Fenster und beobachtete die beiden
am Kamin. Einige Wortfetzen drangen leise an mein Ohr. Etwas von Ausbeuter und Menschenschinder
und warum sich diese Fremden da einmischen würden. Genau konnte ich es aber nicht
hören. Einen Augenblick dachte ich darüber nach, die beiden auszuräuchern und so
zu tun, als ob ich mit mehreren Männern die Hütte umstellt hätte und sie dadurch
zur Aufgabe zu zwingen. Was, aber wenn diese Geschichte stimmte und wir eigentlich
im Unrecht waren? Nach kurzer Überlegung entschied ich mich einfach erst einmal mit
Paolo und Jan zurück zum Dorf zu reiten und Paolos Wunden zu versorgen. Aber eine
kleine Strafe musste schon noch sein. Leise schlich ich mich zum Schuppen zurück
und holte die Dose mit den Nägeln heraus. Diese schüttete ich dann, durch die leicht
geöffnete Luke hinab. Genau an die Stelle, wo man hintrat, wenn man an der kleinen
Leiter hinunter in den Fuchsbau stieg. Tja, manchmal konnte ich schon ziemlich gemein
sein! Schnell lief ich über die Lichtung zu meinem Pferd zurück. Der Waldweg war
nur Schemenhaft zu erkennen. Zwei dunkle Schatten zwischen den Bäumen, zeigten mir,
dass Jan mein Pferd, bereits gefunden hatte. Jan hatte Paolo bereits auf das Pferd
gesetzt. Dieser wimmerte leise vor sich hin. Doch er musste den Weg bis zum Dorf
schaffen. Jan fragte, was ich denn noch gemacht hätte. Ein kleines Geschenk, für
die Gastfreundschaft, die ihr beiden genossen habt, antwortete ich. Wir waren die
halbe Nacht unterwegs, bis wir das Dorf erreichten. Unsere Rückkehr blieb nicht unbemerkt,
Monsignore kam herunter als er uns im Hof hörte. Im Kerzenschein trugen wir den kleinen
Paolo in das Bett von Monsignore er begutachtete seine Wunden und verband ihn mit
neuem Stoff sorgfältig. Sie waren nicht so schlimm, wie wir befürchtet hatten und
er würde nach einiger Zeit wieder auf den Beinen stehen. Tage vergingen in denen
nichts passierte. Dann kam die Nachricht vom Tode der angeblichen Bestie. Alle Dorfbewohner
freuten sich, nur Monsignore und ich machten bedrückte Gesichter.
Wir wussten, dass
dieses Spiel noch nicht zu Ende war und es würden wieder neue Opfer, mit blau angelaufenen
Gesichtern, ihre toten Hände in die Luft strecken. Doch vorerst passierte einfach
nichts. Fast wünschte ich mir, dass es einen Toten gab, damit die Menschen ihre Dummheit
einsahen. Nein was für ein absurder Gedankengang, ich schämte mich selbst, dafür.
Doch Tage vergingen, Monsignore las ständig nur in seinen Büchern, die endlich angekommen
waren. Dem kleinen Paolo ging es langsam wieder besser und sogar einige Dorfbewohner
die geflüchtet waren, kehrten wieder zurück. Wir erfuhren, dass es einen großen festlichen
Ball in Väris geben werde. Zu dem der Graf, Monsignore als seinen Gast eingeladen
hatte. Bei diesem Ball wollte er wichtige Geschäfte abwickeln und neue Verbindungen
knüpfen. Es sollte sogar ein Botschafter von Frankreich anwesend sein, Massena Andrè
der berühmte Marschall, er war oft früher in Italien im Einsatz gewesen und brachte
es zu großen Ruhm. Wurde aber von Napoleon, wegen Unstimmigkeiten über einen Befehl
abgesetzt und der jetzt nur noch die Leibwache in Paris führte. Monsignore wollte,
dass ich ihn begleite und erwirkte das ich mit eingeladen wurde. Das freute mich
umso mehr, da es zwei Dinge gab die mich beschäftigten. Zum einen hätte ich gerne
einmal mit Fräulein Pascalino getanzt und zum zweiten wollte ich dem Marschall einmal
persönlich begegnen. Einem ehemaligen Feind, von dem ich schon so vieles gehört hatte.
Wir bereiteten alles für den großen Tag vor. Alle Abzeichen, die ich nach meinem
Ausscheiden entfernt, hatte wurden angenäht, Löcher in den Kleidern zugenäht und
die Stiefel auf Hochglanz poliert. Alle Messingteile glänzten, als wären sie aus
Gold. Einmal summte ich gerade ein Lied vor mich hin und nähte eifrig an meinen Sachen,
als Monsignore den Raum betrat. Er war über meinen Eifer und meiner guten Laune,
etwas verwundert. Aber nach all dem was wir dort erlebten, erschien es mir als, wenn
ich in eine andere Welt übertreten würde. An meine Uniformjacke heftete ich noch
ordentlich meine Orden, die ich noch zwischen meinen alten Sachen herausgekramt hatte.
Wenn ich schon zu so einem feinen Ball ginge, dann aber in voller Montur und so das
ich etwas hermachte. Vielleicht würde Fräulein Pascalino mir dann mehr Aufmerksamkeit
schenken. Der große Tag nahte, ich war sehr aufgeregt als die Kutsche vorgefahren
wurde und wir auf den Graf und seine Tochter warteten. Da kam sie, in einem wunderhübschen
Kleid so voller Anmut und Schönheit. Ihre Haare waren nach oben gesteckt so, dass
man ihren Nacken und ihre süßen Ohren sehen konnte. Ich hielt allen die Türe der
Kutsche auf und als sie an mir vorbeiging, sahen wir uns, einen Augenblick lang in
die Augen. Während der Fahrt sprachen wir über so vieles was uns beschäftigte. Die
Fahrt führte uns nach Väris, in den Palazzo Estense. Schon als wir durch das Tor
fuhren, konnte man die Ausmaße dieses Schlosses erahnen. Großzügige Grünanlagen,
Prunk und Pracht wo hin man sah. Aus dem Kutschen-