Die Schiffsglocke läutete acht Glasen, Kapitän Karl Van Den Berg rieb sich die Augen, über ihm die Schiffsdecke. Starke Planken, weiß gestrichen. Langsam wurde er wach und sein Blick wanderte zur Wand, dort baumelte an einem Stück Schnur ein kleines Figürchen, ein Stück aus der Heimat. Er streckte sich so gut es geht und schlüpfte in seine Schuhe, zieht eine Jacke über und nahm den Hut von einem Haken. Unter Deck hörte man das geschäftige Treiben oben. Er ging vorbei an Tauen und Hängematten, dort wo helles Licht in den düsteren Schiffskörper fiel. Das Licht blendete ihn, als er das Deck betrat. Schon schallte eine Stimme zu ihm herüber. Acht Uhr morgens, Sicht trüb, Wind querab bis achtern, Kurs SSW Maracaibo. Die Rah der Fleute Rodejug war gut im Wind. Die großen weißen Segel wogen sich im Wind, wie große Bettlacken, die man zum Trocken aufgehängt hatte. Die Masten knatschten und Taue klopften an Holz.
Berg ging zum Ruder. „Ein Strich Backbord“, sagte er, „dann steht das Segel besser.“. Pitz, der Steuermann, brummelte etwas Unverständliches, bewegte dann aber das Ruder. Er ging zu seiner kleinen Truhe und nahm das Fernrohr heraus. Er setzte es an und versuchte, in der trüben Suppe etwas zu erkennen, gab aber dann schnell auf und ging wieder unter Deck. In der Ecke ein kleiner Tisch, eine Laterne baumelte darüber. Dort saßen schon der erste Offizier Lieutenant Jörgen Bracker und der Segelmacher Hendrik Hövel zusammen. Es gab Brot, Speck und getrocknete Früchte. Das Wasser war mit Wein versetzt. „Kalt heut Morgen!“, meinte Bracker. Berg verzog keine Miene, sein Gesicht war von der See gezeichnet. Er blickte mit seinen schmalen, schlauen Augen Hövel an und brummte: „Die Takelage Mittschiffs Backbord sieht nicht gut aus.“. Hövel nickte. „Mach ich.“, sagte er. Schweigend kauten sie auf ihren Speck herum. Hövel versuchte, sein Messer zu reinigen und rieb es anschließend an der übriggebliebenen Schwarte, um es vor Rost zu schützen. Bracker strich die neben den Tellern gefallen Brotkrumen zusammen und steckte sie in den Mund. Nichts wurde verschwendet. Hövel und Bracker gingen nach oben an Deck. Berg zog aus einer kleinen Truhe ein in Leinen eingewickeltes Buch heraus. Er nahm sich Feder und Tinte und rechnete. „Noch Nahrung für sieben Seetage.“, murmelte er so vor sich hin. Das Schiff war eine Fleute (Typ Handelsschiff), die unter Niederländischer Flagge fuhr, sie hatte drei Masten und eine Länge von 30m. Das Schiff konnte 80 Tonnen Ladung fassen und benötigte eine ca. 20 Mann starke Besatzung. Die Mannschaft bestand aus niederländischen und ehemaligen Hanse Seeleuten, die ihr Glück in der neuen Welt machen wollten. Zur Verteidigung führte es acht bronzene Stücke (Kanonen) in Stückpforten bei sich. In den Laderäumen befand sich feinstes Tuch, Tee aus Indien und Gewürze, die man in Maracaibo an die Spanier verkaufen wollte. Zurück sollte es dann mit Früchten und Zuckerrohr gehen. Endlich wurde die Sicht besser, Wolken zogen nach Westen und eine frische Brise kam auf. Berg schaute seinen Maat an, „Dollinger“, sagte er, „bringt alles an Segel hoch was wir haben, wir müssen in zwei Tagen in Maracaibo sein. Der Wind steht sehr günstig für uns und wir können bestimmt 10 bis 12 Knoten machen.“. Dollinger, ein Glatzkopf und Rüpel der seines gleichen sucht, schrie übers Deck und die Mannschaft holte alles aus dem Schiff raus was nur ging. Bracker saß an einem kleinen Tisch beim Achter Deck und reinigte mal wieder seine Waffen. Bronze und Messing mussten immer aufpoliert werden, sonst glänzten sie nicht. Aber so manchen kümmerte das einen Dreck und so wurden die Teile grün, grün wie die See an manchen Tagen. Aber nicht bei Bracker! Berg suchte die Kimm (Horizont) mit dem Fernrohr ab. Plötzlich sah er halb rechts einen schwarzen Strich am Horizont. Im Laufe des Tages wurde es immer deutlicher, dass es sich um großes Schiff handelte. Man sah jetzt bereits, dass es sich um einen drei Master handelte, der ebenfalls Kurs Maracaibo hielt.
Berg behielt die ganze Zeit bis zur Dämmerung die Augen offen, ob das Schiff seinen Kurs beibehielt, da es die Rodejug ja ebenfalls ausgemacht haben musste. Aber es passierte nichts. Abends saßen alle zusammen und es gab Brot und Speck und getrocknete Früchte. Jeder bekam noch einen Becher voll Rum. Dollinger erzählte wieder mal, wie er in St. Martin drei besoffenen Engländern das Bier weggetrunken hatte und dafür sich in die Becher erleichterte und die merkten es nicht mal. Pitz und Hövel lachten lauthals los, während Bracker nur den Kopf schüttelte. „Morgen oder übermorgen müssten wir Land sichten.“, sagte der Kapitän. „Wir sollten so schnell wie möglich die Ladung löschen und neu beladen. Der Friede mit dem Spanier ist unsicher. Ich will keine böse Überraschung erleben. Lassen wir die Segel Instand setzen und die Mannschaft kann sich einen Abend lang volllaufen lassen. Dann geht’s gleich wieder los. Bevor uns der Spanier noch einkassiert.“, brummelte er. „Dem Fedde geht’s nicht gut.“, meinte Dollinger. „Er hat immer noch ein offenes Bein, wo ihm vor zwei Wochen der Haken ausgekommen ist.“ „Wenn es gar nicht anders geht muss er eben in Hafen bleiben.“, sagte Berg. „Das wird ihm gar nicht gefallen, wo er doch unbedingt die wilde Schwarzhaarige wieder sehen will.“ Pitz feixte: „Ich dachte, die wollte mich wieder sehen“. Das Gelächter war gross. Alle lachten bis auf den Kapitän, er verzog keine Miene. Bald kehrte Ruhe auf dem Schiff ein und nur die Schiffsglocke war zu hören. Die Sonne stand schon am Morgen heiß am Himmel und die See war flach wie ein Stück Pergament. Alle wunderten sich über den plötzlichen Wetterumschwung; der Wind hatte fast völlig nachgelassen. Mürrisch trieb Dollinger die Männer an. Bracker stand am Achtern Deck und suchte nach dem Segel vom Vortag. Als Berg kam, meinte er nur „nichts mehr“. Hövel nutze die Zeit, um mit der Mannschaft die Taue zu erneuern und Flickarbeiten durchzuführen. Das Garn wurde gewachst und mit großen Nadeln durch das Segeltuch geführt. Manch einer hatte die Hände schon ganz wund. Es war nicht einfach, Segel auf Deck zu flicken, da es sehr eng war. Immer wieder musste das Segeltuch gewendet und wieder ausgebreitet und zusammengelegt werden. So ging das den ganzen lieben langen Tag. Aber Deckschruppen war auch nicht besser. Es gab immer was zu tun. Hier und da wurde noch Farbe nachgebessert und Hölzer zu recht gezimmert. Der Tag ging nicht vorüber. Es war schon später Nachmittag, das Segel hing schlaff herunter und das Schiff kam nicht von der Stelle. Dollinger fluchte schon seit Stunden und Bracker reinigte mal wieder seine Waffen bis alles blitzte und leuchtete, als am Horizont etwas zu sehen war. Erst konnte man es nicht genau erkennen. Einer sah es zuerst und bald standen schon mehrere am Bug des Schiffes und rätselten. Dollinger wollte dazwischen gehen und die Männer wieder zur Arbeit antreiben, dann war er aber genauso neugierig darüber, was sie denn sahen. Die Männer kniffen die Augen zusammen, um es besser erkennen zu können. Es war schon ewig zu sehen, aber das Schiff kam und kam nicht näher, bis es fast direkt in der Fahrlinie des Schiffes war. Der Bug hielt direkt darauf zu. Jetzt brach Gemurmel aus. Jeder wollte sehen, was es war.
Es war ein Fass. Ein einzelnes Fass auf hoher See.
Zuerst schwamm es direkt vor den Bug, dann drehte es sich und trieb langsam am Bauch des Schiffes entlang. Die Männer wollten es an Bord holen, um nachzusehen was sich darin befand. Sie führten sich auf wie kleine Kinder und liefen an der Reling entlang. Einige hofften auf Rum, die anderen vermuteten schon den Goldschatz von Portobelo darin. Jan Peter holte einen Haken herbei und gab ihm Govert. Er versuchte das Fass damit zu erwischen, als es langsam an der Bordwand entlang schwamm. Aus irgendeinem Grund gelang es ihnen nicht. Der Haken rutschte immer wieder von dem Fass ab. Gleich war es soweit, dass es vorbei war und der Kapitän würde bestimmt nicht deswegen das Schiff wenden! Dollinger fluchte wie der Teufel und wollte Jan Peter und Govert schon wegdrücken. Da stand plötzlich der Kapitän Karl Van Den Berg da. So ruhig und still wie ein Baum. Er nahm den Haken von Govert an sich. Dabei sah er ihn mit seinen schmalen schlauen Augen an, das Govert voll Scham auf den Boden kucken musste. Dann ging er ein paar Schritte, holte aus und schlug den Haken in das Fass hinein, so dass er es aus dem Wasser ziehen konnte. Die Männer schauten verdutzt und traten zurück. Er zog es hoch, Wasser floss an ihm herunter und mit einem Ruck kullerte es auf das Deck.
Alle Männer standen im Kreis herum, Blicke gingen umher, aber alle schauten nur. Niemand rührte sich. Dann Stille, nur das Knatschen vom Schiff war zu hören. Es verging bestimmt eine Minute, bis der Kapitän sich herunter beugte. Er sah es sich genau an und stellte es auf. Langsam zog er sein Messer aus der Scheide und öffnete damit das Fass. Keiner konnte sehen, was sich darin befand, sie sahen nur das Gesicht des Kapitäns Karl Van Den Berg, des rauen Seemanns. Sein wettergegerbtes Gesicht verzog keine Miene, wie immer. Aber sein Auge zuckte merkwürdig. Er griff hinein und in seinen Händen war plötzlich ein kleiner lebloser Körper! Es war ein Kind. Die groben Hände hielten es wie eine schlaffe Spielpuppe. Keiner wagte sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Selbst Dollinger hielt seine Klappe. Er ging rüber zum Wasserfass, tauchte seinen Ärmel ins Wasser und wischte vorsichtig über das Gesicht des Kindes. Ein Mädchen kaum 12 Monate alt, es schien noch zu leben. Sein kleiner Leib war nur mit einem dünnen Leinenhemdchen bedeckt. Warum es in diesem Fass war, begriff niemand so recht. Bracker kam hinzu und machte sein Taschentuch nass und tropfte das Wasser auf den Mund des Kindes, dessen Lippen sich bewegten. Es fing an zu stöhnen und sich zu bewegen, doch es war sehr schwach und die Männer wussten nicht, ob es überlebte. Die groben Hände des Karl Van Den Berg hielten das Kleine noch immer noch ganz sanft fest. Alle sahen erwartungsvoll zum Käpten herüber. Er schaute die Männer an und dann zu Dollinger. Dann ging er mit dem kleinen Bündel nach unten und legte es behutsam auf sein Bett. Die Mannschaft blieb irritiert zurück. Gemurmel brach aus. Nach einiger Zeit kam Jörgen Bracker unter Deck und fragte, was er jetzt tun wolle. „Morgen sind wir in Maracaibo, da finden wir bestimmt eine Frau, die das Kind aufnehmen kann.“ Jörgen kam auf die Idee ein paar Früchte zu zerstampfen und den Saft dem Kind einzuflößen, damit es wieder zu Kräften kommen konnte. Alles wurde sogfältig zubereitet, mit einem Löffel versuchte Berg, dem Kind den Saft einzuflößen. Und es klappte, es schluckte leicht die Flüssigkeit herunter. Bald kam die Nacht und Berg lag mit dem Kind in seiner Schlafstätte. Es war so ungewohnt, dieses kleine Wesen neben sich liegen zu haben. Er verspürte eine Art ungewohnter Nähe, gleichfalls hatte er Angst, das Kind im Schlaf zu erdrücken und legte es an seine Brust. Am nächsten Morgen, die Schiffsglocke läutete und leichte Wellen schlugen gegen die Bordwand, wurde er unsanft durch den Ruf „Land“ aus dem Schlaf gerissen. Das Kind lag immer noch an seiner Brust, so wie die beiden eingeschlafen waren. Er drückte sich hoch und deckte das Kleine behutsam zu, nahm Jacke und Hut an sich und bevor er hoch an Deck ging, drehte er sich noch einmal um, um das Kindlein noch einmal zu sehen. Es war noch immer sehr erschöpft. Dann ging er an Deck. Das Licht blendete ihn und als er hoch kam, gab es keinen, der ihn nicht fragend anschaute. Aber er sagte nichts. Der Wind blies wieder kräftig und das Schiff gleitete durch die strahlend blaue See. Die Wellen schlugen leicht gegen das Schiff, sodass Wasser am Bug hochspritzte. Schon bald lag die Einfahrt zur Bucht von Maracaibo vor ihnen. Sie passierten die Meerenge. Riffe schauten aus dem Wasser heraus, umspielt von aufschäumenden Wassermassen. Palmen bedeckten das Land und man hörte in der Ferne Tiere schreien. Ein ganzer Schwarm von Möwen umkreiste das Schiff, der Duft von Land lag in der Luft. Alle Männer freuten sich schon auf die Einfahrt in den Hafen und endlich wieder mal unter die Leute zu kommen. Pläne wurden schon geschmiedet, welche Spielunke unsicher gemacht werden soll. Sie segelten gerade an einem Landvorsprung vorbei, da bemerkte Bracker, dass an der Spitze des Vorsprungs eine Aufschüttung zu sehen war, auf der die Spanische Flagge wehte. Bracker wollten gerade hinüber rufen, als die Aufschüttung sich als eine Art improvisierte Bastion entpuppte, die mit einem Male Feuer spie! Fassungslos sah er wie dumpfe Abschüsse die Einschläge schwerer Stücke ankündigten. An der Bordwand stieg eine hohe Wassersäule empor und das salzige Wasser spritzte ihm ins Gesicht. Kurz darauf traf ein Geschoss die Aufbauten des Achterdecks und Splitter aus Holz und Metall surrten durch die Luft. Berg und Bracker konnten sich gerade noch in Sicherheit bringen. Berg sprang auf und lief zum Ruder. Pitz saß da und schaute aus großen Augen den Kapitän an, mit ausgestreckter Hand hielt er das Ruder fest. „Ruder hart Steuerbord“, schrie er ihn an. „Bracker!! Klar Schiff zum Gefecht!!“ Ein heilloses Durcheinander brach aus, jeder wollte seine Aufgabe erfüllen, aber an Deck lagen Holzstücke und Teile des Rahsegels hingen herunter. Da hörte man bereits wieder die Abschüsse der Kanonen. „Alles Runter!“, schrie Berg. Ein merkwürdiges Surren ging direkt an Bergs Kopf vorbei. Etwas klatschte an die Bordwand gleich achtern. Der Kapitän sah nur völlig verwundert, wie Jan Peters eine Muskete in Richtung Bastion abfeuerte. Was für ein sinnloser Akt, dachte er. Das Schiff entfernte sich langsam von dem Landvorsprung und hinter ihnen klatschen abermals Geschosse ins Wasser. Jetzt begriff er erst, was eigentlich los war. Holland musste sich mittlerweile im Krieg mit Spanien befinden! Noch ehe er sich im Klaren darüber war, was zu tun war, holten ihn die Ereignisse ein. Denn hinter einer Landzunge kam plötzlich eine Kanonenschaluppe hervor, die sofort auf Abfangkurs ging und nicht gerade freundlich wirkte. Mit diesem schnellen, wendigen, kleinen Segler war es ein leichtes, die Rodejug einzuholen und zu entern. Aber mit mir nicht, dachte sich Berg und lies das Schiff abermals wenden, so dass er fast genau wieder auf die Bastion zu hielt. „Kanonen fertig“, meldeten inzwischen die Stückmannschaften. Die Bastion fing jetzt wieder an zu feuern. Die Geschosse trafen jetzt das Vordeck und zerstörten Teile des Schiffes oberhalb der Wasserlinie. Immer noch hielt das Schiff Kurs auf den Landvorsprung, wo etwas erhöht die Spanischen Kanonen standen. Die Mannschaft war verwirrt. Ist der alte jetzt total verrückt geworden, fragte sich so mancher. Man konnte schon durchs Wasser den Grund sehen und gleich würden sie auflaufen. Wieder schossen die Kanonen von der Bastion, man konnte schon die Kanoniere sehen. Die Fleute hatte den Vorteil, dass sie für niederländische Gewässer gebaut war und einen sehr niedrigen Tiefgang hatte. „Jetzt, Ruder hart Steuerbord!“, rief Berg. Das Schiff neigte sich keuchend und ächzend unter dem Manöver, die Bastion war vielleicht zwei Schiffslängen entfernt! Er fuhr praktisch direkt daran vorbei! Die Kanoniere auf der Bastion versuchten verzweifelt ihre Geschütze nach unten zu richten, aber es gelang ihnen nicht. Die Rodejug war zu nah! Verzweifelt feuerten sie in die Segel, wo die Geschosse einige Löcher hinterließen. „Jetzt, könnt ihr Eure Musketen abfeuern Männer!“, kam von ihm trocken. Jan Peter schoss und grinste dabei hämisch. Das Schiff war jetzt außer Reichweite der Bastion, aber die Schaluppe kreuzte noch immer gegen den Wind und versuchte sie einzuholen. Die Mannschaft gab alles, was sie konnte, um alle Segel voll auszunutzen. Der Kapitän manövrierte das Schiff so gut, dass sie nicht eingeholt werden konnten. Nur wütende Schüsse richteten sich gegen das Schiff, aber es war schon zu weit weg, um getroffen zu werden. Zum Glück wurde niemand ernsthaft verletzt, hier und da ein Holzsplitter oder eine Prellung. Aber nichts Ernstes. Die Besatzung aber entkam trotz leichten Schäden und nur durch seemännisches Geschick! Die Meerenge lag bereits hinter ihnen und alle halfen mit, die Rodejug wieder auf Vordermann zu bringen. Überall lagen Trümmer an Deck, die Männer schufteten wie wild, um einigermaßen wieder laufen zu können, als plötzlich alle innehielten und lauschten. Das Schreien und Wimmern eines Kindes war leise zu hören. Berg sah Bracker an und der Kapitän ging eiligst hinunter unter Deck. An der Treppe wäre er beinah noch gestolpert, weil er sich so beeilte. Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf. Hoffentlich war dem Kind nichts passiert, hoffentlich! Doch das Kind lag dort wie vorher im Bett des groben Seemanns. Als das Mädchen ihn sah, hörte es zu schreien auf und sah ihn mit großen rehbraunen Augen an. Sie hatte eine süße Stupsnase und braunes Haar. Sofort ging dem Alten das Herz auf und seine Augen waren schon leicht wässerig. Als er es hoch nehmen wollte, fing es aber sofort zu schreien an. Er war ratlos, was sollte er denn jetzt mit dem Kind machen? Er hatte Zeit seines Lebens auf See verbracht und hatte auch nie eine Frau gehabt. Da fiel ihm ein, dass der der Wim doch 14 Kinder hatte! Der musste wissen, was zu tun war. Er ging bis zum Aufgang des Oberdecks und schrie: „Wim, Wim komm her.“ Er schaute Wim tief in die Augen. Wim guckte ihn fragend an. „Was ist zu tun, du musst Dich doch auskennen.“ Wim stand da und meinte: „Ja schon, aber nicht so genau. Das mit den Kindern hat doch meine Frau gemacht, ich war ja meistens auf See.“ „Feine Sache, dann komm mal mit.“, sagte er ironisch. Da standen sie nun und das Kind schrie noch immer. „Es wird Hunger haben.“, meinte er. „Was isst es denn so?“ „Am besten warme Milch, aber wir haben keine.“ „Wo sollen wir denn jetzt Milch herbekommen!?“, fragte sich Berg. „Probieren wir es nochmal mit den zerdrückten Früchten.“, entschloss Berg. Und es klappte, mit einem Stößel zerdrückte Berg einige Früchte und gab etwas Wasser dazu. Dann flößte er den so entstanden Brei dem Kind ein. Das schluckte gierig nach dem wohlschmeckenden dicken Saft. „Kapitän, man muss dem Kind auch die Tücher für die Notdurft wechseln? Es braucht saubere.“ Das war dem alten Seebär zu viel und er schaute Wim grimmig an. „Na dann mal ran, Wim.“ Berg ging wieder an Deck und kontrollierte die Arbeiten an Deck. Bracker kam und schlug vor, Kurs Curacao zu nehmen. „Wir haben nur noch für ein paar Tage Nahrung und Frischwasser an Board. Wie sollen wir das schaffen?“ „Schwierig, sehr schwierig.“, brummte der Alte. „Ich schlage vor, dass wir an der Küste entlang nach Curacao segeln und rationieren Wasser und Nahrung. Sobald wir eine brauchbare Stelle finden, Ankern wir und setzen einen Suchtrupp für Wasser und Essen aus. So machen wir es, Kurs Curacao, Dollinger!“
Der Weg an der Küste entlang, war schwieriger als erwartet. Ständig kamen Schiffe in Sicht, denen man lieber auswich, da man ja nie wusste, ob es sich nicht um einen Spanier handelte. Der Alte kümmerte sich liebevoll um sein Mädchen und selbst das Wechseln der Tücher ging ihm immer besser von der Hand, nachdem er sich am Anfang kaum getraut hatte hinzulangen. Er weichte Brot ein und zerdrückte es oder er gab ihr Trockenobst, woran sie eine Weile herumnuckelte. Bald krabbelte die Kleine in der Kabine herum und entdeckte die neue Welt. Aber das Leben außerhalb holte die beiden ein. Sie hatten kaum noch Wasser und das Essen war schon lange nicht mehr so viel, dass jeder satt wurde. Die Stimmung bei allen war auf dem Tiefpunkt und bei der Mannschaft kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Einmal musste sogar Bracker dazwischen gehen und mit extremen Strafen drohen. Jan Peter hatte schon immer die Angewohnheit auf einem Stück Trockenobst ewig herumzukauen. Dazu hatte er immer einen kleinen Leinenbeutel am Gürtel hängen. Als die Nahrung immer knapper wurde, sparte er sich seine Rationen auf und tat sie in den Beutel. Die anderen hatten schon lange ihren Teil aufgegessen. Doch jetzt wo es nichts mehr gab, da wollten sie, dass Jan Peter seinen Beutel leert und aufteilt. Joke war der Rädelsführer und stachelte die anderen noch an. „Gib uns den Beutel her!“, sagte er. Jan Peter schaute ihn nur an und meinte: „Nein“. Und wieder: „Du gibst uns jetzt den Beutel und jeder bekommt ein Stück.“ Jan Peter meinte nur: „Das ist mein Trockenobst. Ihr habt Eures bereits gegessen!“ Den anderen war das egal was er sagte, sie wollten jetzt das Obst haben. Vorneweg mit riesen Klappe Joke. Jan Peter sah ihn an und meinte nur: „Hol ihn dir doch, wenn du dich traust“. Das reichte aus, dass er wütend auf ihn zu ging und ihm einen Hieb versetzen wollte, aber Jan Peter hatte blitzschnell ein Messer gezogen und ist ihm ausgewichen, dabei schnitt er mit dem Messer die Hose von Joke auf. Er ging ein paar Schritte und zog ebenfalls sein Messer. Gerade, als er auf den anderen zu gehen wollte, kam ein Schwall Salzwasser von hinten, so dass er völlig nass war! Wutentbrannt drehte er sich um und schaute in das Gesicht von Lieutenant Jörgen Bracker. Dieser meinte nur: "Den nächsten, der Ärger macht, werde ich persönlich an ein Tau binden und über Bord schmeißen.“ Joke sah nur auf den Boden runter und Bracker drehte sich um und ging nach Achtern. Ein letzter Blick zu Jan Peter und alle gingen wieder an ihre Arbeit. Am Abend passierte etwas merkwürdiges, womit keiner gerechnet hätte. Die meisten waren unter Deck und versuchten, sich etwas ab zu lenken. Plötzlich kam Jan Peters runter unter Deck. Er nahm seinen Beutel und gab jedem ein Stück Trockenobst, das er vorher noch klein geschnitten hatte! Er ging auch zu Joke… von da an waren die beiden plötzlich unzertrennlich. Das Wasser wurde immer knapper. Ohne Essen kann man es aushalten, doch ohne Wasser geht man zu Grunde. Es war höchste Zeit etwas zu unternehmen. Die Männer entschlossen, sich in Richtung Küste zu bewegen und nach einer kleinen Bucht oder ähnlichen Ausschau zu halten, um an Land zu gehen. Nach langer Suche kam eine gute Stelle, aber niemand wusste, was ihn erwartete. Eine kleine Bucht mit weißem Strand und hohen Palmen, an denen bestimmt Kokosnüsse wuchsen. Ein Riff war nicht auszumachen. Sie ankerten und setzten Beiboote aus, um an Land zu gehen. Es war sehr gefährlich! Zum einen war die Rodejug bei einem Angriff hilflos, zu andern lauerten an Land unbekannte Gefahren. Lieutenant Jörgen Bracker führte die Exkursion an. Dollinger saß im zweiten Boot. Der Kapitän blieb mit der Kleinen an Bord falls ein Spanier auftauchte. Das Mädchen saß auf dem Arm vom Alten und winkte den Männer zum Abschied noch zu. Die Boote legten ab und die Mannschaften an den Riemen ruderten ihrem Schicksal entgegen. Doch zuerst mussten sie die Brandung überwinden, was nicht ungefährlich war. Kippte nur eines der Boote um, würden die wenigsten überleben, denn außer Bracker konnte keiner der Männer schwimmen. Vom Achterdeck aus beobachtete Berg, wie die Boote die Brandung durchschnitten und am Strand aufsetzten. Er war heilfroh als er sah, dass alles gut ging. Das Wasser umspülte die Beine der Männer und als sie den Sand unter ihren Füßen spürten, waren ihre Gefühle gemischter Natur. Zum einen hoffte jeder von ihnen, hier Wasser und Nahrung zu finden, zum anderen hatten sie große Furcht vor dem, was alles in dieser Wildnis hauste. Von tödlichen Schlangen bis wilde Eingeborene war alles dabei. Die Männer teilten sich in zwei Gruppen. Die eine Gruppe suchte Wasser und die andere schlug Kokosnüsse und sammelte essbare Früchte. Zwei Mann blieben bei den Booten zur Bewachung zurück. Das Unterholz war so dicht dass man kaum hindurch kam, mit Mühe und Not mussten sich die Männer schweißtreibend mit den Entermessern einen Pfad frei hacken. Dollinger und seine Gruppe versuchte ins Innere vor zu stoßen, gab aber bald auf und beschloss, sich auf Kokosnüsse zu konzentrieren. Sie holten sie von den Palmen und stapelten sie am Strand. Bracker hingegen beschloss, am Strand entlang zu laufen, in der Hoffnung einen Bach zu finden, der ins Meer floss. Er war schon mit seiner Gruppe außer Sichtweite des Schiffes, was Van Den Berg gar nicht gefiel. Sorgenvoll blickte er ihnen nach. Sie liefen und liefen, aber der Dschungel wirkte undurchdringlich. Hier und da schien ein Eingang möglich, aber schon nach wenigen Metern endete der vermeidliche leichte Durchweg. So ging er mit seinen Leuten immer weiter am Strand entlang. Er war bereits seit einer Stunde unterwegs, als ihn plötzlich im Augenwinkel zwischen den Sträuchern zwei Gesichter anschauten! Er zuckt zusammen und zog reflexartig seine Waffe. Alle waren nervös, was jetzt passieren würde. Kommen Speere und vergiftete Pfeile geflogen oder schlimmeres? Sekunden so lange wie Minuten vergingen, aber die Menschen sahen sich nur gegenseitig an. Bracker fasste sich wieder und steckte die Waffe weg. Dann ging er ein paar Schritte hervor und grüßte, was völlig absurd war, da die Eingeborenen ganz andere Rituale als Begrüßung hatten. Es vergingen gefühlte fünf Minuten, bis plötzlich bestimmt zwanzig Eingeborene vor ihnen standen. Ungläubig betrachten sie sich gegenseitig, bis Bracker eine Bewegung zum Mund machte. Dann kam plötzlich Erleichterung auf, denn die Eingeborenen lachten. Und dann freuten sich auch die Männer von der Rodejug. Einer der älteren männlichen Eingeborenen machte ein Zeichen, dass sie ihnen folgen sollten. Zuerst schien der Weg unpassierbar, sie mussten sich etwas ducken und dann ein paar Äste abschlagen, dann war wie ein kleiner Pfad durch das Gestrüpp zu erkennen. Alle waren gespannt, wo sie hinkamen, der ältere Eingeborene ging voraus.
Plötzlich lichtete sich das Dunkel des Dschungels und sie kamen an ein Wasserloch,
etwa eine Elle tief. Am Ende sprudelte frisches, sauberes Wasser aus der Erde. Alle
freuten sich und wollten sich bei den Eingeborenen bedanken. Das Entermesser von
Bracker schien den älteren Eingeborenen besonders zu interessieren. Das bemerkte
auch Pit und wies Bracker freundlich darauf hin. Er übergab es mit Wehmut dem Eingeborenen,
wo er es doch erst so sorgfältig poliert hatte. Nachdem dieser Schmerz überwunden
war und die Eingeborenen ihnen noch einige Früchte brachten, waren die Männer euphorisch,
sie hatten Wasser gefunden! Jetzt war nur das Problem, wie sie einige Fässer mit
Wasser an Bord des Schiffes bringen sollten. Bracker hatte eine Idee. Einige Männer
liefen zurück und gaben Bescheid, dass sie Wasser gefunden hatten und Fässer bräuchten.
Dollinger lies Hölzer vorbereiten und dann wurden zwei Holzstangen je Fass mit Tauen
festgebunden und so konnten immer zwei Mann ein Fass tragen. Es dauerte den ganzen
Tag lang bis die Fässer auf den Booten verstaut waren und sie zurück zur Rodejug
rudern konnten. Noch einmal musste die Brandung durchrudert werden. Diesmal mit Ladung
und gegen die Wellen! An Bord der Rodejug hielten sie den Atem an, als starke Wellen
die kleinen Boote überspülten und die Männer alle Kraft aufwenden mussten, um durch
die Brandung zu kommen. Aber es gelang und freudig wurden die Fässer mit frischem
Wasser an Bord geholt. Kokosnüsse und Früchte wurden gleichmäßig verteilt und die
Stimmung war ausgelassen. Berg lies Rum ausgeben und so wurde der Abend so schön
wie lange nicht mehr. Die Rodejug lag vor Anker und die Männer feierten. Es gab frische
Früchte, Kokosnüsse wurden geknackt und fröhlich ausgetrunken und dann das weiße
Innere verspeist. Dollinger lies extra viel Kokosnussmilch in einige Flaschen abfüllen
für den Kapitän und sein Anhängsel. Mit Freude wurden ihm die Flaschen von der Mannschaft
überreicht und der Alte freute sich gewaltig. Das heißt, ein Mundwinkel zuckte… Sie
segelten weiter Richtung Curacao. Jetzt frohen Mutes und in der Hoffnung auf weiße
Bettlacken, Weiber und Rum. Doch die Freude währte nicht lange. Am Horizont wurde
ein Schiff gesichtet. Erst wollte man ausweichen, doch schon bald erkannte man, dass
es ein Holländer war. Seine Segel waren beschädigt und er hatte leichte Schlagseite.
Kaptän Karl Van Den Berg beschloss, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Sie näherten sich
dem Schiff. Es war die Brigantine Sofieke, sie kannten sie und ihre Besatzung von
Curacao. Kaptän Knol stand am Bug seines Schiffes um Van Den Berg zu begrüßen. Beide
Schiffe rafften die Segel und wurden langsamer. Dann versuchte man in einem schwierigen
gemeinsamen Manöver längsseits zu kommen. Enterhaken wurden hinüber geschmissen,
um beide Schiffe einigermaßen beisammen zu halten. Kapitän Knol sprang an Deck der
Rodejug. „Berg alter Haudegen“, begrüßte er den Kapitän überschwänglich. Die beiden
reichten sich die Hände und jeder drückte so fest er konnte, keiner von ihnen verzog
eine Miene. Nach einem kurzen Augenblick, in dem sie sich tief in die Augen sahen,
ließen sie von einander ab. „Du errätst nicht, was uns passiert ist!“, meinte Knol.
Berg entgegnete nur trocken: „Die Spanier haben Euch zusammengeschossen.“ „…Woher
weißt du das?“ „Uns auch…aber wir sind nochmal davon gekommen.“ „So wie es aussieht,
sind jetzt Spanien mit England, Frankreich und Holland im Krieg und die Franzosen
mit den Engländern. Ziemlich verworren das Ganze!“ Karl Van Den Berg war etwas überrascht
über die Neuigkeiten. Knol begann zu erzählen. „Wir sind vor Curacao gewesen und
wollten unsere Ladung verkaufen, als plötzlich wie aus dem nichts am Horizont mehrere
Schiffe auftauchten und auf Kurs Curacao gingen. Große Schiffe! Zwei Kriegsgalonen
und mehrere kleiner Galonen und Schiffe! Eine große Spanische Kriegsgalone brach
aus dem Verband aus und nahm Kurs auf uns. Das machte uns stutzig und ich lies gefechtsklar
machen. Wir drehten ab, aber sie verfolgten uns. Die Kriegsgalone hatte die Luvstellung
und wir mussten gegen den Wind kreuzen. Verzweifelt versuchten wir zu entkommen,
aber sie holten uns schnell ein. Sie feuerten eine ganze Breitseite auf uns ab, dabei
trafen sie den Rumpf. Wir hatten Wassereinbruch. Zwei Mann waren sofort nicht mehr
unter uns und sieben verletzt. Ich dachte schon, jetzt ist es aus. Aber zu meiner
Überraschung, drehten sie nicht wieder auf uns ein und gaben uns den Rest, sondern
nahmen sofort Kurs auf ein englisches Kriegsschiff, das am Horizont aufgetaucht war.
So entkamen wir. Ich bin gleich unter Deck, es sah übel aus. Das Wasser schoss durch
den Rumpf herein. Mein Schiffszimmermann und einige Männer versuchten die Löcher
mit Hölzern und Lumpen zu stopfen, was ihnen erst nach einiger Zeit gelang. Wir machten
alles dicht so gut es ging. Trotzdem müssen wir immer noch Pumpen um uns über Wasser
zu halten. Wir liefen dann so schnell es ging, aus den Gewässern von Curacao ab.
Später trafen wir noch ein anders Schiff, das uns über die Verhältnisse aufgeklärt
hat.“ Knol atmete tief durch und meinte: „Glück muss man haben.“ Ebenso erzählte
Berg, was passiert sei und die beiden beratschlagten, was zu tun sei. Zum Glück hatte
die Sofieke Nahrung geladen und so konnte erst einmal darüber verhandelt werden,
was an Bord der Rodejug gebracht werden konnte, um diese wieder einige Wochen auf
See zu halten. Berg bat anschließend Knol in seine Kabine. Berg ging voraus und als
sie den Raum betraten, traute Knol seinen Augen nicht: am Boden saß ein kleines Mädchen
und spielte mit Holzfiguren. Der Alte bückte sich und nahm das Kind auf den Arm,
um es herzuzeigen. In seinem Gesicht war der Ausdruck von Freude und Stolz zu sehen.
Knol fehlten die Worte. Berg setzte es wieder auf den Boden und nahm einen Hocker,
um sich neben das Kind zu setzen. Er war völlig verblüfft, so hatte Knol ihn noch
nie erlebt, ganz stolz spielte er mit dem kleinen Mädchen und die Kleine umarmte
ihn und hielt mit ihren kleinen Fingern die Hand oder besser gesagt einen seiner
Fingern fest. Fragend sah er ihn an. Der Alte erzählte wie es dazu kam, dass ein
Kind jetzt in seiner Obhut war und welch ein Glück es für ihn war. Schon lange nicht
mehr hatte er solch eine Freude gehabt. Lange berichtete er, was er alles mit ihr
erlebt hatte und wie Sie sich entwickelt hat. Seine Augen leuchteten dabei. „Wie
ist ihr Name?“, fragte Knol. Berg hatte sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht,
wie er das Kind nennen sollte. Er dachte ja immer, dass seine Mutter das Kind irgendwie
wieder bekommen könnte und dass es ja einen Namen hatte. Es wurde ihm klar, dass
das nicht mehr passieren würde. Wie sollte man die Frau finden? Unmöglich. Sie saßen
noch lange beisammen, bis Knol einen Witz machte und sagte: „Soll es doch wie mein
Schiff heißen“. Berg war Sofieke etwas zu hart aber es klang nicht schlecht. Da er
nicht wusste, woher das Kind kam, dachte er an was edles, wie…"Hmmm Sophie! Ja das
ist es du bist ab jetzt meine Sophie. Und zu ehren der heiligen Maria, weil du ganz
alleine auf offener See überlebt hast, wollen wir Dich Sophie Marie nennen.“ „Sehr
schön!“, meinte Knol und lachte. Wo sollten sie jetzt hin, die ganze südliche Karibik
wurde von den Spaniern beherrscht. Diese Häfen konnten sie nicht anlaufen. Nach St.
Martin war es zu weit und es musste immer gegen den Wind gesegelt werden. Und schließlich
wollten sie ja noch ihre Waren verkaufen, sonst wäre die ganze Fahrt umsonst gewesen.
Denn St. Martin war ihr Ausgangsort ihrer Reise und ihre zweite Heimat. Da bleibt
nur Petit-
Was ist mit dem Kaptän los, fragten sie sich. „Die Brigg braucht bestimmt noch gut zwei Stunden, bis sie uns eingeholt hat. Holt alle Kessel, die wir haben!“, sprach er zu den Männern. „Macht Feuer, wir wollen Brei kochen!“ Totenstille, die Männer schauten sich verwundert gegenseitig an. „Macht was ich Euch sage, wir werden diesen Kampf gewinnen!“ Die Männer fingen an, alle Kessel zu holen, die sie fanden. Es wurden mehrere Feuer gemacht und Brei gekocht, dazu kamen noch die exotischen Früchte. Die Brigg kam immer näher und es wurde knapp. Die Männer kochten so viel und so schnell sie nur konnten. „Bracker, hier her.“ Berg rief die wichtigsten Leute zusammen und erklärte ihnen seinen Plan. Alle Männer lachten. Berg lies in der Mitte des Schiffes mit allen was zu finden war, eine Art Barrikade bis zur Hüfte errichten die das Schiff in zwei Teile spaltete. In der Mitte standen die Kessel mit dem Brei. Die Kanonen waren besetzt, Berg war in der Mitte und Bracker am Achterdeck mit einigen Männern als Reserve. Sie sollten angreifen, wenn es brenzlig wird. Die Brigg kam immer näher. Man konnte schon die Besatzung sehen und sie waren schwer bewaffnet. Jetzt lies Berg das Schiff mit einem Male wenden und sofort schossen sie eine Salve in den Bug der Brigg. Die Kanonen krachten nur so. Die Brigg wendete ebenfalls und versuchte längsseits zum entern ran zu kommen. Die Brigg schoss und traf, Holzsplitter flogen über das Deck. Jetzt waren sie dran an der Rodejug und warfen Enterhacken hinüber. Sie zogen die Schiffe aneinander. Aber anstatt, dass die Männer versuchten, die Seile durch zu hacken oder an der Reling das Schiff zu verteidigen, gingen sie jetzt hinter der Barrikade in Stellung. Die Kessel mit dem Brei wurden umgekippt oder mit Eimern auf das Deck geschüttet, so dass die eine Seite zum anderen Schiff hin voll mit Brei war! Die Bukaniere, Halunken und Mörder schwangen sich todesmutig zur Rodejug hinüber, legten Planken über die beiden Schiffe um hinüber zu gelangen. Die ersten mutigsten Kämpfer, die sich hinüber geschwungen hatten, erlebten eine böse Überraschung! Sie landeten im Brei, rutschten aus, fielen wieder hin, wollten sich hochrappeln. Doch was sie auch taten, das Deck war so glitschig dass sie immer wieder ausrutschten! Die Männer der Rodejug kannten keine Gnade und warteten auch nicht darauf, dass die Halunken wieder auf die Füße kamen. Einer nach dem anderen wurde niedergemacht. Die Männer auf den Planken wussten nicht was sie tun sollten. Der erste blieb stehen und die anderen drückten nach, aber der stand nur völlig verdutzt da. Das war die Stunde von Lieutenant Jörgen Bracker, er eröffnete vom Achterdeck aus mit Musketen das Feuer und schoss die Männer auf den Planken wie Zielscheiben ab. Sie fielen ins Wasser oder zurück an Deck ihres Schiffes. Die Überraschung war gelungen! Die Piraten die übrig geblieben waren, wollten nur eins: zurück auf ihr Schiff. Jetzt schlug die Stunde von Lieutenant Bracker. Er ließ ebenfalls eine Blanke hinüber legen und stürmte mit seinen Männern das feindliche Schiff! Sie machten jeden nieder, der sich ihnen in den Weg stellte, bis nur noch eine Handvoll Männer übrig war und sich um ihren Kapitän am Bug zusammen scharrten. Der Kampf tobte hin und her. Sie wollten nicht aufgeben. Inzwischen war Berg mit den anderen Männern ebenfalls über die Blanke geklettert und stürmte auf die Piraten mit wildem Geschrei ein. Das Geschrei und die Übermacht der Seefahrer schockierte die Piraten so sehr, dass sie aufgaben! Die Männer wurden gefangen genommen und unter Deck gebracht. Jubel brach aus und die Männer freuten und lachten ausgelassen. Kaum einer hatte eine ernsthafte Verletzung davon getragen! Dank dem Brei! Die Brigg wurde unter das Kommando von Lieutenant Jörgen Bracker gestellt. Einige brave Seeleute, die in die Piraterie gepresst worden waren oder sogar entführt wurden, verteilte man auf beide Schiffe, behielt sie aber streng im Auge. Ihre erste Arbeit war, den Brei wieder von Deck zu entfernen. Böse Zungen behaupteten, der Brei wäre nie ganz weg gegangen und hätte eine Art schützende Patina hinterlassen, die vor Salzwasser schützt.
Die Kleine Sophie wurde von der Besatzung, als eine glückbringende Gestalt angesehen,
ohne die sie vermutlich verloren gewesen wären. Das Schicksal hatte sie alle zusammen
geführt. Die Rodejug nahm wieder Kurs auf Petit-
Michael Sutor 2013